Grand Tour [gʀɑ̃ˈtuːʀ] (französisch; deutsch „große Reise“), auch Kavalierstour oder Cavaliersreise, war die Bezeichnung für eine seit der Renaissance obligatorische Reise der Söhne des europäischen Adels, später auch des gehobenen Bürgertums, durch Mitteleuropa, Frankreich, Italien, Spanien und auch ins Heilige Land. In weiterem Sinne wurden auch die Bildungsreisen erwachsener Angehöriger der genannten Stände so bezeichnet. Insbesondere in England fand die Grand Tour im 18. Jahrhundert einen reichen literarischen Niederschlag.

 Douglas, 8th Duke of Hamilton, auf seiner Grand Tour mit seinem Arzt John Moore und dessen Sohn John. Im Hintergrund ist die Stadt Genf zu sehen. Gemalt von Jean Preudhomme, 1774

Die Besichtigung antiker Stätten in Italien hatte in Kreisen der Künstler und Intellektuellen bereits seit dem Spätmittelalter Tradition. Einen wahren Aufschwung erlebte die Grand Tour aber erst gegen Ende des 17. Jahrhunderts, als es im englischen Adel, vergleichbar einem Initiationsritus, Mode wurde, seine Sprösslinge auf eine mehrjährige Bildungsreise auf den Kontinent zu schicken. Ihren Anfang nahm sie während der Regentschaft von Königin Elisabeth I. von England im 16. Jahrhundert. Die jungen Männer zwischen 17 und 21 Jahren machten sich zumeist in Begleitung eines Tutors, und finanziell großzügig von der Familie unterstützt, auf den Weg zum Kontinent und durch Europa, um ihren Horizont zu erweitern, antike Bauwerke und Denkmäler zu besichtigen, aber auch um sich in die hohe Schule der Diplomatie einführen zu lassen. Station machte man vorwiegend bei Verwandten, und nicht wenige gingen bei dieser Gelegenheit erfolgreich auf Brautschau. Diese große Mode aus England fand bald auch in anderen Ländern Anklang.

Im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts erweiterte sich der gesellschaftliche Kreis der Reisenden auf das Bürgertum. Ein bürgerlicher Engländer, der über Wohlstand verfügte, unternahm zumindest eine kurze Reise auf das Festland. Ähnlich heutigen Reiseführern, wurden in Ratgebern und Reisetagebüchern zur Grand Tour Empfehlungen über die Wegstrecke gegeben, Sehenswürdigkeiten, Sitten, die notwendige Kleidung, die Apotheke und Lektüre besprochen sowie wichtige Sätze und Vokabeln fremder Sprachen als Hilfe verzeichnet. Vor Ort nahmen sich Reise- und Bergführer der jungen Leute an, die personifizierte Referenzbücher führten. Um die Reisenden entstand ein eigener Dienstleistungssektor.

Der Großteil der Bevölkerung hatte nicht die finanziellen Mittel, um im Stil einer Grand Tour zu reisen. Bürger konnten sich eine Fortbewegung mittels Pferd oder mit der Kutsche leisten. Die Masse der Menschen ging aber immer noch zu Fuß. Die Reisebedingungen hatten sich damit seit dem Mittelalter kaum verbessert.[1]

Die Vorreiterrolle Englands erklärt sich unter anderem daraus, dass sich das Land nach dem Sieg über die spanische Armada 1588 auf dem Weg zu einer Weltmachtstellung sah. Anders als der Kontinent hatte es nicht unter den Auswirkungen des Dreißigjährigen Kriegs zu leiden. Hinzu kommt schließlich, dass das Ideal des Gentleman, also des bildungsbeflissenen, begüterten, häufig aber müßig-politikfernen Gentry-Angehörigen nur dort anzutreffen war. Zugleich begünstigte der Umstand, dass sich nur die Begüterten solche Reisen leisten konnten, aber auch die Entstehung eines Zerrbildes von „den Engländern“ auf dem Kontinent, das bis weit ins 20. Jahrhundert anzutreffen war.

Einen erheblichen Aufschwung erlebte die Grand Tour Mitte des 18. Jahrhunderts. Im Zuge der Aufklärung nahm das Interesse an fremden Kulturen und Menschen, deren Lebensbedingungen und Umgebung, weiter zu. Zusätzlich wurde die Reiselust durch Berichte von Weltreisen und Reiseliteratur geweckt.

Dem Niedergang des Adels nach der Französischen Revolution entsprach auch derjenige der Grand Tour im klassischen Sinne. Sie wurde im 19. Jahrhundert von der Bildungsreise abgelöst, die zwar ähnliche Ziele verfolgte, aber mit weitaus weniger Aufwand verbunden war und organisatorisch meist in den Händen des – nunmehr häufig bereits älteren – Reisenden selbst lag.

Vgl. Petra Krempien: Geschichte des Reisens und des Tourismus. Ein Überblick von den Anfängen bis zur Gegenwart. FBV-Medien-Verlag, Limburgerhof 2000, S. 90–93. Siehe dazu auch: Gerhard Ammerer: Reise-Stadt Salzburg: Salzburg in der Reiseliteratur vom Humanismus bis zum beginnenden Eisenbahnzeitalter. Archiv und Statistisches Amt der Stadt Salzburg, Salzburg 2003, S. 9–11.
Fotografien von:
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