Magyarország
UngarnKontext von Ungarn
Ungarn (ungarisch [ˈmɒɟɒrorsaːɡ]) ist ein Binnenstaat in Mitteleuropa mit rund 9,7 Millionen Einwohnern. Das im Pannonischen Becken gelegene und von der Donau durchflossene Land grenzt an die Slowakei und die Ukraine im Norden, Rumänien im Osten, Serbien und Kroatien im Süden, sowie Slowenien und Österreich im Westen. Hauptstadt und größte Stadt ist Budapest; zu den weiteren Großstädten zählen Debrecen, Szeged, Miskolc, Pécs und Győr.
Als einer der ersten Ostblock-Staaten wurde Ungarn am 23. Oktober 1989 zur Demokratie und trat 1999 der NATO bei. Seit 2004 ist das Land Mitglied der Europäischen Union und bildet darin zusammen mit Polen, Tschechien und der Slowakei die Visegrád-Gruppe.
Seit Amtsantritt des rechtspopulistischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán im Jahr 2010 wird das Land jedoch wieder zunehmend autoritär regiert. Daher leitete die EU-Kommission 2022 erstmal…Weiterlesen
Ungarn (ungarisch [ˈmɒɟɒrorsaːɡ]) ist ein Binnenstaat in Mitteleuropa mit rund 9,7 Millionen Einwohnern. Das im Pannonischen Becken gelegene und von der Donau durchflossene Land grenzt an die Slowakei und die Ukraine im Norden, Rumänien im Osten, Serbien und Kroatien im Süden, sowie Slowenien und Österreich im Westen. Hauptstadt und größte Stadt ist Budapest; zu den weiteren Großstädten zählen Debrecen, Szeged, Miskolc, Pécs und Győr.
Als einer der ersten Ostblock-Staaten wurde Ungarn am 23. Oktober 1989 zur Demokratie und trat 1999 der NATO bei. Seit 2004 ist das Land Mitglied der Europäischen Union und bildet darin zusammen mit Polen, Tschechien und der Slowakei die Visegrád-Gruppe.
Seit Amtsantritt des rechtspopulistischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán im Jahr 2010 wird das Land jedoch wieder zunehmend autoritär regiert. Daher leitete die EU-Kommission 2022 erstmals ein Rechtsstaatsverfahren gegen ein Mitgliedsland ein. Ebenso sprach das EU-Parlament erstmals einem Mitgliedsland ab, eine Demokratie zu sein. Ende des Jahres blockierten die anderen EU-Staaten aus diesem Grund erstmals die Auszahlung von mehreren Milliarden Euro, knapp fünf Prozent der geschätzten Wirtschaftsleistung Ungarns in diesem Jahr.
Mehr über Ungarn
- Währung Forint
- Ursprünglicher Name Magyarország
- Anrufcode +36
- Internet Domäne .hu
- Mains voltage 230V/50Hz
- Democracy index 6.5
- Bevölkerung 9599744
- Fläche 93036
- Fahrseite right
- 9. bis 15. Jahrhundert
Die Magyaren wanderten, angeführt von dem Großfürsten Árpád, Ende des 9. Jahrhunderts, angeblich im Jahr 896 in das Karpatenbecken ein und führten Raubzüge durch ganz Europa. Diese wurden auch von Árpáds Nachfolgern erfolgreich weitergeführt, bis 955 Otto I. die Angriffe der Ungarn durch einen vernichtenden Sieg auf dem Lechfeld zurückschlagen konnte. Das Königreich Ungarn wurde am 20. August 1000 von Stephan I. gegründet, der das Land gegen den erbitterten Widerstand des alten Adels nach karolingischem Vorbild gestaltete (Begründung des bis heute bestehenden Komitatswesens).
…Weiterlesen9. bis 15. JahrhundertWeniger lesenDie Magyaren wanderten, angeführt von dem Großfürsten Árpád, Ende des 9. Jahrhunderts, angeblich im Jahr 896 in das Karpatenbecken ein und führten Raubzüge durch ganz Europa. Diese wurden auch von Árpáds Nachfolgern erfolgreich weitergeführt, bis 955 Otto I. die Angriffe der Ungarn durch einen vernichtenden Sieg auf dem Lechfeld zurückschlagen konnte. Das Königreich Ungarn wurde am 20. August 1000 von Stephan I. gegründet, der das Land gegen den erbitterten Widerstand des alten Adels nach karolingischem Vorbild gestaltete (Begründung des bis heute bestehenden Komitatswesens).
Im „Mongolensturm“, wie die Angriffe der Goldenen Horde der Mongolen unter dem Heerführer Batu Khan in den Jahren 1241 und 1242 bezeichnet werden, wurde das Land verwüstet und in weiten Teilen entvölkert; 50 % der Bevölkerung Ungarns kam dabei ums Leben. König Béla IV. rief für die Neubesiedlung Siedler aus dem Heiligen Römischen Reich (Schwaben) ins Land, die sich in der Folgezeit teilweise magyarisierten.
Im Jahr 1301 starb Andreas III., der letzte Herrscher des Hauses Árpád. 1370–1386 und 1440–1444 wurde Ungarn von den Anjou und Jagiellonen in Personalunion mit Polen regiert.
In der Folgezeit hatte Ungarn nur noch einen ungarischen König, Matthias Corvinus, der das Land von 1458 bis 1490 regierte. Unter dem hochgebildeten Matthias stieg Ungarn zur politischen Großmacht und zu einem Zentrum der Renaissancekultur sowie des Humanismus auf. Als Renaissancefürst zog er Gelehrte und Künstler aus Italien an seinen Hof, gründete die Universität in Pressburg (Pozsony, heute Bratislava) und die Bibliothek Corvina in Ofen (Budapest); sein Großreich zerfiel nach seinem Tod.
Zwischen 1490 und 1526 regierten die polnisch-litauischen Jagiellonen Ungarn und Böhmen in Personalunion.
16. bis 19. JahrhundertDas Ende der Unabhängigkeit Ungarns kam um die Mitte des 16. Jahrhunderts mit den Eroberungen durch das Osmanische Reich. Am 29. August 1526 besiegte Sultan Süleyman I. bei Mohács (dort befindet sich seit 1976 eine Gedenkstätte) König Ludwig II. von Böhmen und Ungarn, der auf der Flucht ertrank. Der größte Teil Ungarns geriet unter türkische Herrschaft, wobei die nicht eroberten Teile entweder in Kontinuität des ungarischen Königtums als Königliches Ungarn unter habsburgische Herrschaft kamen (darunter der Westen Oberungarns) oder von Ungarn getrennt und als Fürstentum Siebenbürgen unter osmanische Oberhoheit gestellt wurden.
Nach 145 Jahren türkischer Besetzung Ungarns fiel Buda nach der zweiten Belagerung im Jahr 1686, und die Habsburger eroberten nunmehr ganz Ungarn. Die Ungarn missbilligten aber deren harte Herrschaft, so dass es von 1703 bis 1711 zum Kuruzenaufstand unter Fürst Franz II. Rákóczi kam, einem Adeligen aus Siebenbürgen. Da die Spannungen zwischen dem ungarischen Adel und dem Wiener Hof nicht beseitigt werden konnten, entluden sie sich (nach scheinbar einvernehmlichen Verhandlungen und Zugeständnissen des Kaisers gegenüber den Ungarn) in der Revolution von 1848/49, die mit Hilfe Russlands (mit Berufung auf die „Heilige Allianz“) blutig niedergeschlagen wurde, was das Klima in der Monarchie dauerhaft verschlechterte.
Nach anhaltenden Unruhen im Land wurde Ungarn durch den österreichisch-ungarischen Ausgleich von 1867 gleichberechtigter Teil der Doppelmonarchie Österreich-Ungarn. Franz Joseph I. nannte sich nun gleichrangig Apostolischer König von Ungarn (er ließ sich nun in Buda krönen) und Kaiser von Österreich (bis dahin war der ungarische Königstitel dem Kaisertitel untergeordnet). Diese Personalunion, de jure begründet durch die Pragmatische Sanktion, wurde durch gleichlautende österreichische und ungarische Grundgesetze, Außenpolitik und Armee sowie deren Finanzierung betreffend, zur Realunion. Eine freiwillige Zoll- und Handelsunion folgte, die Gulden-, später Kronenwährung blieb gemeinsam (Oesterreichisch-ungarische Bank). Führend am Erfolg des Ausgleichs für die ungarische Seite beteiligt waren Ferenc Deák und Graf Gyula Andrássy. Zur ungarischen „Reichshälfte“ (wie man im kaiserlichen Österreich gern sagte; Ungarn wollte den Begriff Reich für die Doppelmonarchie nicht) gehörten die Länder des Königreichs Kroatien und Slawonien (im Wesentlichen der heutige Staat Kroatien ohne Dalmatien), die Vojvodina, ein großer Teil Rumäniens (Siebenbürgen im weiteren Sinne und der heute rumänische Teil des Banats) sowie kleine Teile Polens und der Ukraine (Karpatenukraine). In der Folge kam es zu einem bedeutenden wirtschaftlichen Aufschwung des Landes und besonders seiner Hauptstadt, der nicht zuletzt in den Millenniumsfeiern der magyarischen Landnahme und der Budapester Millenniumsausstellung 1896 zum Ausdruck kam.
Allerdings war der Vielvölkerstaat Königreich Ungarn durch innere Spannungen (Selbstständigkeitsbestrebungen der nichtmagyarischen Völker, Nationalitätenkonflikte im Zuge der Magyarisierungspolitik) gekennzeichnet. Die führende Rolle bei der Industrialisierung hatten zwar vielfach Repräsentanten von Minderheiten (Deutschösterreicher und Juden) inne, die eher zur freiwilligen Magyarisierung neigten, für die slawische und rumänische Bevölkerung der ungarischen Reichshälfte galt dies aber nicht. Dies begünstigte die Zerschlagung des heterogenen Staatsgebildes nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg. Die Entscheidungen der Siegermächte führten dazu, dass in der Tschechoslowakei (heute in der Slowakei), in Rumänien und im Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen (heute vor allem in Serbien) aufgrund des Vertrages von Trianon ungarische Minderheiten leben. Allerdings verblieben auch slowakische, rumänische und deutsche Minderheiten in Ungarn.
Von 1918 bis 1945Ungarn erklärte am 31. Oktober 1918 den Austritt aus der Realunion mit Österreich und rief die magyarischen Truppen von der italienischen Front zurück. Damit war die k. u. k. Monarchie aufgelöst. Auf dringende Forderungen ungarischer Spitzenpolitiker erklärte König Karl IV. am 13. November 1918 auf Schloss Eckartsau (Niederösterreich) seinen Verzicht auf jeden Anteil an den ungarischen Staatsgeschäften, so wie er dies als Kaiser Karl I. zwei Tage zuvor für Österreich erklärt hatte. Eine formelle Abdankung erfolgte jedoch nicht.
Ministerpräsident Mihály Károlyi rief am 16. November 1918 die demokratische Republik Ungarn aus, im Januar 1919 wurde er zum ersten Präsident des Landes gewählt. Die sozialen Missstände infolge des verlorenen Krieges hielten jedoch an. Nach der friedlichen Bürgerrevolution von 1918 setzte die Regierung der neuen Republik das Volksgesetz Nummer 1 in Kraft, das zum ersten Mal in der ungarischen Geschichte ein gleiches Wahlrecht für beide Geschlechter garantierte, das über Parteilisten ausgeübt wurde.[1] Es wurden aber keine Wahlen auf dieser Basis abgehalten.[1] Der konservative Flügel der nationalistischen Bewegung stürzte den Ministerpräsidenten Mihály Károlyi in einer Gegenrevolution, und das Frauenwahlrecht wurde wieder abgeschafft.[2]
Nach Károlys Rücktritt am 21. März 1919 übernahmen die Kommunisten unter der Führung Béla Kuns die Macht und gründeten eine Räterepublik. Das nachrevolutionäre Wahlgesetz vom November 1919, das in der Regierungsverordnung 5985/1919/ME enthalten war, garantierte dann wieder ein stufenweise ausgeweitetes Wahlrecht.[1] Dennoch waren die Wahlen von 1920 erschüttert von Einschüchterung und Korruption.[1] Frauen und Männer über 24 hatten das Wahlrecht, wenn sie seit sechs Jahren die ungarische Staatsangehörigkeit hatten und schon mindestens sechs Monate in Ungarn wohnten.[1] Das Wahlrecht der Frauen war auf die Frauen beschränkt, die lesen und schreiben konnten.[1] Männer waren von der Altersbeschränkung ausgenommen, wenn sie mindestens zwölf Wochen Militärdienst an der Front geleistet hatten.[1] 1922 folgte ein ernster Rückschlag: Eine Wahlrechtsreform erhöhte das Wahlalter für Frauen auf 30.[1] Auch wurde eine bestimmte Schulbildung zur Voraussetzung:[1] Vier Jahre Grundschule für Männer und sechs für Frauen (vier, wenn sie mindestens drei Kinder hatten oder ihr eigenes Einkommen und Haushaltsvorstände waren).[1]
Zur Rückerlangung der nach dem Ersten Weltkrieg verlorenen Gebiete (Siebenbürgen, Slowakei) ging Ungarn militärisch gegen seine Nachbarländer vor. Im Ungarisch-Rumänischen Krieg geriet die ungarische „Rote Armee“ jedoch schnell in die Defensive. Mit der Besetzung weiter Teile des Landes durch rumänische Truppen brach die sozialistische Republik am 1. August 1919 zusammen, Béla Kun musste fliehen. Nach dem Ende der Räterepublik scheiterte zunächst Erzherzog Joseph August von Österreich, vom 7. August bis 23. August Reichsverweser, mit dem Versuch einer Regierungsbildung an der ablehnenden Haltung der Alliierten. Schließlich zog der ehemalige k. u. k. Admiral Miklós Horthy, der zuvor in Szeged eine konservative Gegenregierung zu den Kommunisten gebildet hatte, am 16. November 1919 mit seinen Truppen in Budapest ein.
Von der Nationalversammlung zum Reichsverweser gewählt, führte Horthy am 1. März 1920 die Monarchie formal wieder ein, blieb in der Folge jedoch faktisches Staatsoberhaupt. Karl IV. versuchte von seinem Exil in der Schweiz aus zweimal, die Herrschaft in Ungarn wieder zu übernehmen; beide Male verweigerte Horthy jedoch die Übergabe der Macht. Die Restauration der habsburgischen Monarchie wurde Ungarn im Zuge der Friedensverhandlungen (Pariser Vorortverträge) verboten (Vertrag von Trianon). Am 6. November 1921 beschloss der Reichstag im sogenannten Dethronisationsgesetz die formelle Absetzung der Dynastie Habsburg-Lothringen. Die Regierung erkannte daraufhin den Friedensvertrag von Trianon an, nach dessen Bedingungen Ungarn zwei Drittel seines Staatsgebiets an die Tschechoslowakei, Rumänien, den südslawischen Staat und Österreich abtreten musste. Die meisten nun abgetretenen Gebiete hatten sich schon 1918/1919 von Ungarn getrennt und waren den neuen Nachfolgestaaten der Donaumonarchie beigetreten oder von ihnen in Besitz genommen worden; das spätere Burgenland kam aber erst im Herbst 1921 zu Österreich.[3]
Ungarn näherte sich ab 1933 unter Ministerpräsident Gyula Gömbös aufgrund wirtschaftlicher Krisen und revisionistischer Propaganda politisch immer mehr dem nationalsozialistischen Deutschland an. In den von NS-Deutschland diktierten Wiener Schiedssprüchen erhielt Ungarn 1938 die ungarisch bewohnte Südslowakei (entlang der Donau) und 1940 einen beträchtlichen Teil Siebenbürgens (von Rumänien) zurück. Durch den Balkanfeldzug (1941) fiel zudem das Übermurgebiet an Ungarn. Jedes dieser Gebiete musste 1945 jedoch wieder aufgegeben werden.
Als Gegenleistung trat Horthy am 27. Juni 1941 auf Seiten der Achsenmächte in den Krieg gegen die Sowjetunion ein, musste jedoch aufgrund unzureichender Ausrüstung schwere Verluste hinnehmen. Man nahm Verbindung mit den Westalliierten auf, die jedoch auf Moskau verwiesen. Als diese Kontakte den Deutschen bekannt wurden, besetzten sie ab Mitte März 1944 das Land und setzten eine Kollaborationsregierung unter Döme Sztójay ein, die sofort mit der Deportation der jüdischen Bevölkerung begann. Über 200.000 der auf dem Staatsgebiet von 1937 lebenden jüdischen Ungarn kamen in Konzentrations- und Vernichtungslagern ums Leben. Weitere über 200.000 Opfer stammten aus den Gebieten, die Ungarn nach den Wiener Schiedssprüchen besetzt hatte. Nach der Kapitulation Rumäniens entschloss sich Horthy am 28. September 1944, eine Abordnung mit einem Kapitulationsangebot an Moskau zu entsenden, die Verhandlungen führten am 15. Oktober zur Proklamation des Waffenstillstandes im Rundfunk. Nach der Festnahme Horthys im Herbst 1944 wurde die Kriegsbeteiligung unter der faschistischen Bewegung der Pfeilkreuzler von Ferenc Szálasi fortgesetzt. Für Ungarn endeten die Kampfhandlungen des Zweiten Weltkriegs mit dem Kampf um Ungarn und der Besetzung des Landes durch die Rote Armee, welche bis zum 4. April 1945 abgeschlossen war.
Ostblock, Ungarnaufstand und WendeUngarn kam auf Grund des Vertrages von Jalta unter sowjetischen Einfluss. 1945 wurde das uneingeschränkte Wahlrecht wiederhergestellt.[2] Bei der freien Parlamentswahl im November 1945 errang die Kleinlandwirtepartei 57 % der Stimmen, die Kommunisten lagen mit 17 % knapp hinter den Sozialdemokraten auf Platz 3. Auf sowjetischen Druck wurden die Kommunisten dennoch in die Regierung aufgenommen und rissen bis 1949 schrittweise die Macht an sich, das Land wurde dem Kommunismus nach sowjetischem Vorbild unterworfen.[4] 1948 wurde die Sozialdemokratische Partei Ungarns mit den Kommunisten zwangsvereinigt zur Partei der Ungarischen Werktätigen (MDP), die 1956 durch die Ungarische Sozialistische Arbeiterpartei (MSZMP) ersetzt wurde. Am 20. August 1949 wurde eine Verfassung nach sowjetischem Vorbild beschlossen. Bis 1953 verfolgte Ungarn unter Mátyás Rákosi einen stalinistischen Kurs.
Am 23. Oktober 1956 kam es zu einem Volksaufstand, in dessen Verlauf Imre Nagy, der bereits von 1953 bis 1955 Ministerpräsident gewesen war, erneut dieses Amt erlangte. Er bildete eine Mehrparteienregierung und forderte die parlamentarische Demokratie sowie die Neutralität Ungarns. Der Aufstand wurde jedoch durch die sowjetische Armee blutig niedergeschlagen. Viele Ungarn verließen daraufhin das Land und emigrierten nach Westeuropa oder Nordamerika. Nagy wurde hingerichtet (seine Asche wurde erst 1989 feierlich in Ungarn beigesetzt). János Kádár, bis dahin stellvertretender Ministerpräsident, wurde Generalsekretär der Ungarischen Sozialistischen Arbeiterpartei sowie Ministerpräsident. Den anfänglichen Repressionen gegen die Beteiligten des Aufstandes folgten in den Jahren zwischen 1959 und 1963 Amnestien, die zu Freilassungen führten. 1968 beteiligte sich Ungarn am militärischen Eingreifen der Warschauer Pakt-Staaten in der für den Ostblock gefährlich liberal gewordenen Tschechoslowakei.
Seit den 1960er Jahren erlaubte Kádár, der bis 1988 Generalsekretär der Ungarischen Sozialistischen Arbeiterpartei und von 1956 bis 1958 sowie von 1961 bis 1968 auch Ministerpräsident war, gewisse Liberalisierungen im politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Bereich, die unter dem Begriff „Gulaschkommunismus“ bekannt wurden. 1987/1988 bildeten sich Oppositionsgruppen, die den friedlichen Systemwechsel vorantrieben und die Legitimität der sowjetischen (faktisch russischen) Vorherrschaft in Frage stellten (erwähnt sei Imre Pozsgay, der im Amt eines Staatsministers öffentlich der Doktrin von der „Konterrevolution von 1956“, widersprach).
1988 trat der nun schon greise Kádár unter dem Druck der Verhältnisse auf einem Sonderparteitag der Staatspartei USAP zurück, Nachfolger wurde Károly Grósz. Auch in der kommunistischen USAP gab es oppositionelle Stimmen, die freie Wahlen und den Abzug der sowjetischen Truppen forderten. Dies leitete die Grenzöffnung nach Österreich, den Abbau der Grenzanlagen und damit die Zerschneidung des Eisernen Vorhangs ein. Bereits am 2. Mai 1989 begannen ungarische Grenzsoldaten mit der Demontage des Grenzzaunes. Am 27. Juni 1989 durchtrennte Gyula Horn, der ungarische Außenminister, zusammen mit seinem österreichischen Amtskollegen Alois Mock in einer symbolischen Aktion den Stacheldraht an der Grenze zwischen Österreich (Klingenbach) und Ungarn (Sopron).[5] Bis August 1989 lieferte Ungarn gefasste Fluchtwillige grundsätzlich an die DDR aus.[6] Ab dem 11. September 1989 erlaubte Ungarn auch DDR-Bürgern offiziell die Ausreise nach Österreich.[7]
Ungarn hatte entscheidenden Anteil an den Revolutionen im Jahr 1989 in den ehemaligen Ostblockstaaten und damit auch an der friedlichen Revolution in der DDR, die den Weg zur Wiedervereinigung Deutschlands ebnete.
Geschichte seit 1989Nach 1989/90 wurde Ungarn (politisch gesehen) Teil des westlichen Staatensystems. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs 1989/90 wurde auch das ungarische Staatswesen erneuert. Am 23. Oktober 1989 – dem Jahrestag des Ungarischen Volksaufstands von 1956 – wurde die Republik Ungarn ausgerufen, und eine modifizierte Version der sozialistischen Verfassung von 1949 trat in Kraft. Vorbild dieser geänderten Fassung war unter anderem das deutsche Grundgesetz. Die Regierung ist dem Parlament verantwortlich, für die Regierungstätigkeit trägt der Ministerpräsident Verantwortung. Um eine möglichst große Stabilität der Regierung zu gewährleisten, wurde die Institution des konstruktiven Misstrauensvotums geschaffen. Im März 1990 fanden die ersten freien Parlamentswahlen Ungarns seit 1947 statt.
Das ungarische Parlament ist ein Einkammerparlament. Es wählt den Präsidenten der Republik, den Ministerpräsidenten, die Mitglieder des Verfassungsgerichts, den Ombudsmann der Minderheiten, den Präsidenten des Obersten Gerichts und den Generalstaatsanwalt. Die Macht des auf fünf Jahre gewählten Präsidenten ist gering.
Die ungarische Politik war seit der Einführung freier und geheimer Wahlen bis 2010 von häufigen Mehrheitswechseln geprägt.
Nach der Wahl 1990 regierte bis 1994 eine konservative Koalitionsregierung aus MDF, FKgP und KDNP. Ministerpräsident war zunächst József Antall, nach dessen Tod im Dezember 1993 Péter Boross. Die Regierungskoalition erlitt bei der Wahl im Mai 1994 eine schwere Niederlage, während die aus der ehemaligen kommunistischen Einheitspartei hervorgegangenen Sozialisten (MSZP) aufgrund des Wahlsystems mit 33 % der Stimmen die absolute Mehrheit der Mandate erzielten. Neuer Ministerpräsident wurde Gyula Horn, der trotz der absoluten Mehrheit seiner Partei mit den Linksliberalen (SzDSz) koalierte. Die Wahl 1998 brachte einen erneuten Machtwechsel. Fidesz, bis dahin eine kleine Partei, wurde stärkste Fraktion. Viktor Orbán wurde erstmals Ministerpräsident. Er stand bis zur überraschenden knappen Wahlniederlage 2002 einer Koalition aus Fidesz, MDP und der während der Wahlperiode zerfallenden FKgP vor.
Im März 1999 wurde Ungarn Mitglied der NATO, nachdem das Parlament am 9. Februar mit überwältigender Mehrheit für einen Beitritt gestimmt hatte. Das Land gehörte damit zu den ersten Staaten des früheren Ostblocks, die der Allianz beitraten.[8]
Nach den Wahlen 2002 übernahm wieder die MSZP zusammen mit dem SzDSz die Regierungsverantwortung. Der neue Ministerpräsident Ferenc Gyurcsány, der seit dem 29. September 2004 amtierte, war Nachfolger von Péter Medgyessy, der nach Versuchen der Regierungsumstrukturierung zurückgetreten war.
Am 1. Mai 2004 trat Ungarn der Europäischen Union bei, nachdem sich in einem Referendum eine Zustimmung vom 83,8 % ergab.
Die Regierung von MSZP und SzDSz wurde bei den Parlamentswahlen vom 9. und 23. April 2006 wiedergewählt. Damit schaffte es eine Regierung erstmals, im Amt zu bleiben.
Im September 2006 wurden Details über eine Rede (Őszöder Rede) publik, die Gyurcsány nach der Parlamentswahl im Mai vor seiner Fraktion gehalten hatte. In dieser Rede sprach Gyurcsány davon, dass die Regierung in den vergangenen Jahren nur gelogen habe, um den wahren Zustand der Staatsfinanzen zu verschleiern. Mit dieser Rede wollte Gyurcsány seine Partei dazu bringen, die von ihm geplanten Konsolidierungsmaßnahmen mitzutragen (Mehrwertsteuererhöhung, Praxisgebühr, Entlassungen im öffentlichen Dienst). Im September und Oktober 2006 kam es vor allem in Budapest wiederholt zu gewalttätigen Ausschreitungen, die auch die Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag des Volksaufstands von 1956 überschatteten. Gyurcsány bot am 21. März 2009 seinen Rücktritt an. Eine Minderheitsregierung aus Sozialisten und parteilosen Fachleuten wurde daraufhin im April 2009 unter dem parteilosen vormaligen Wirtschaftsminister Gordon Bajnai gebildet, die vom SzDSz toleriert wurde.[9]
Bei der Parlamentswahl 2010 erhielt das Wahlbündnis aus Fidesz und KDNP 263 der 386 Mandate und verfügte damit über eine für Verfassungsänderungen nötige Zweidrittelmehrheit. Am 29. Mai 2010 wählte das neue Parlament Viktor Orbán zum neuen Ministerpräsidenten. Am 18. April 2011 wurde mit den Stimmen der Regierungsparteien die zum 1. Januar 2012 in Kraft getretene neue Verfassung verabschiedet, das Grundgesetz Ungarns. Als Grundlagen der Nation bekennt sich das Grundgesetz in seiner Präambel unter anderem zu Gott, Krone (Stephanskrone) und Vaterland, Christentum, Familie und Nationalstolz. Der offizielle Staatsname wurde von Republik Ungarn (Magyar Köztársaság) in Ungarn (Magyarország) geändert. Die Staatsform Ungarns wird in Artikel B der Verfassung jedoch weiterhin als Republik bezeichnet, die Regierungsform ist parlamentarisch.
Präsidentin ist seit 2022 Katalin Novák.
Bei den Parlamentswahlen 2014, 2018 und 2022 gewann Fidesz im Bündnis mit der KDNP bei geändertem Wahlrecht jeweils knapp eine Zweidrittelmehrheit.
Das Land wurde während der Flüchtlingskrise in Europa ab 2015 zur Zwischenstation einer großen Wanderbewegung von Flüchtlingen und Migranten. Diese versuchten, von Griechenland kommend, auf diversen als Balkanroute bekannt gewordenen Strecken nach Westeuropa zu gelangen. Die Regierung ließ einen Grenzzaun an den südlichen Landesgrenzen errichten und verschärfte ihre Migrations- und Flüchtlingspolitik. Seit 2018 ist Ungarn Beobachter im Türkischen Rat.
↑ a b c d e f g h i j Csilla Kollonay-Lehoczky: Development Defined by Paradoxes: Hungarian History and Female Suffrage. In: Blanca Rodríguez-Ruiz, Ruth Rubio-Marín: The Struggle for Female Suffrage in Europe. Voting to Become Citizens. Koninklijke Brill NV, Leiden und Boston 2012, ISBN 978-90-04-22425-4, S. 421–437, S. 428–429. ↑ a b June Hannam, Mitzi Auchterlonie, Katherine Holden: International Encyclopedia of Women’s Suffrage. ABC-Clio, Santa Barbara, Denver, Oxford 2000, ISBN 1-57607-064-6, S. 123. ↑ Giorgio Petracchi: Dietro le quinte del convengo Volta sull’Europa. Un piano per sovvertire l’Europa centro-orientale. In: Maddalena Guiotto, Wolfgang Wohnout (Hrsg.): Italien und Österreich im Mitteleuropa der Zwischenkriegszeit / Italia e Austria nella Mitteleuropa tra le due guerre mondiali. Böhlau, Wien 2018, ISBN 978-3-205-20269-1, S. 125. ↑ Csilla Kollonay-Lehoczky: Development Defined by Paradoxes: Hungarian History and Female Suffrage. In: Blanca Rodríguez-Ruiz, Ruth Rubio-Marín: The Struggle for Female Suffrage in Europe. Voting to Become Citizens. Koninklijke Brill NV, Leiden und Boston 2012, ISBN 978-90-04-22425-4, S. 421–437, S. 430. ↑ So viel Anfang vom Ende. In: diepresse.com. 19. Juni 2009, abgerufen am 28. Februar 2015. ↑ MfS-Dokumente. In: bstu.bund.de. 14. Juli 1989, archiviert vom Original am 18. Mai 2018; abgerufen am 15. Mai 2018. Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. ↑ Siehe u. a. Manfred Görtemaker: Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Von der Gründung bis zur Gegenwart. 1999, S. 725. ↑ vgl. Associated Press Worldstream: Ungarisches Parlament stimmt klar für Nato-Beitritt. 9. Februar 1999, 12:39 Eastern Standard Time, National political. ↑ FAZ.NET: Regierungskrise offenbar beigelegt. In: FAZ.net. 30. März 2009, abgerufen am 28. Februar 2015.
- Sicherheit
In ganz Ungarn erreicht man unter der Nummer 104 den Notruf, Krankenwagen und Unfallmeldung. Die internationale Notrufnummer 112 ist auch im ganzen Land verwendbar.
Ungarn ist allgemein ein sicheres Land. Die Kriminalität liegt im oder unter dem europäischen Durchschnitt; die üblichen Sicherheitsvorkehrungen sind ausreichend. Allerdings ist seit einigen Jahren von Politikern und bestimmten Medien eine schärfere Rhetorik gegen bestimmte Personengruppen (darunter Homosexuelle, Juden oder Sinti und Roma) festzustellen. Gewaltsame Übergriffe gegen reale oder als solche wahrgenommene Mitglieder solcher Gruppen können vorkommen. Es sollte auch vermieden werden, bestimmte Symbole (wie zum Beispiel eine Regenbogenfahne) allzu prominent zur Schau zu stellen.