Kontext von Serbien

Serbien (serbisch-kyrillisch [sř̩bija]; amtlich Republik Serbien, serbisch-kyrillisch Република Србија [repǔblika sř̩bija]) ist ein Binnenstaat in Südost- und Mitteleuropa. Serbien liegt im Zentrum der Balkanhalbinsel und grenzt im Norden an Ungarn, im Osten an Rumänien und Bulgarien, im Süden an Nordmazedonien und Albanien bzw. Kosovo, im Südwesten an Montenegro und im Westen an Bosnien und Herzegowina und Kroatien.

Nach Einwohnern liegt Serbien mit gut 6,7 Millionen auf Rang 22 der Länder Europas. Hauptstadt und Metropole des Landes ist Belgrad, weitere Großstädte sind Novi Sad, Niš, Kragujevac und Subotica. Über 80 Prozent der Bevölkerung sind Weiterlesen

Serbien (serbisch-kyrillisch [sř̩bija]; amtlich Republik Serbien, serbisch-kyrillisch Република Србија [repǔblika sř̩bija]) ist ein Binnenstaat in Südost- und Mitteleuropa. Serbien liegt im Zentrum der Balkanhalbinsel und grenzt im Norden an Ungarn, im Osten an Rumänien und Bulgarien, im Süden an Nordmazedonien und Albanien bzw. Kosovo, im Südwesten an Montenegro und im Westen an Bosnien und Herzegowina und Kroatien.

Nach Einwohnern liegt Serbien mit gut 6,7 Millionen auf Rang 22 der Länder Europas. Hauptstadt und Metropole des Landes ist Belgrad, weitere Großstädte sind Novi Sad, Niš, Kragujevac und Subotica. Über 80 Prozent der Bevölkerung sind Serben, daneben gibt es größere Gruppen von Ungarn, Roma und Bosniaken.

Serbiens jüngere Geschichte ist geprägt durch seine Rolle als größter Teilstaat Jugoslawiens. Es ist seit dem endgültigen Zerfall Jugoslawiens 2006 auch „alleiniger Rechtsnachfolger“ der im Jahr 1992 gegründeten Bundesrepublik Jugoslawien (2003–2005 Staatenunion Serbien und Montenegro).

Serbien ist Mitglied der Schwarzmeer-Wirtschaftskooperation (SMWK) und des Mitteleuropäischen Freihandelsabkommens (CEFTA) und unterhält weitere Freihandelsabkommen. Die Wirtschaftsleistung des Landes ging infolge der Jugoslawienkriege stark zurück; in den Jahren von 2003 bis 2008 erholte sie sich wieder etwas. Nachdem kurzfristig wichtige Erfolge im Rahmen des EU-Beitrittsprozess erreicht worden waren (so u. a. das Inkrafttreten eines Interimsabkommen für Handelserleichterungen mit der EU und die Abschaffung der Visumpflicht für serbische Staatsbürger), reichte Serbien am 22. Dezember 2009 seine Kandidatur für eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union ein und erhielt am 1. März 2012 den Status eines Beitrittskandidaten.

Mehr über Serbien

Grundinformation
  • Währung Serbischer Dinar
  • Ursprünglicher Name Србија
  • Anrufcode +381
  • Internet Domäne .rs
  • Mains voltage 230V/50Hz
  • Democracy index 6.22
Population, Area & Driving side
  • Bevölkerung 6647003
  • Fläche 88361
  • Fahrseite right
Verlauf
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    Das im byzantinischen Stil erbaute Kloster Hilandar stellt das spirituelle Zentrum der Serbisch-Orthodoxen. Es wurde durch eine Schenkung des Byzantinischen Kaisers vom Begründer der Nemanjiden-Dynastie Stefan Nemanja und seinem Sohn, dem Nationalheiligen Sava, Ende des 12.Weiterlesen
     
    Das im byzantinischen Stil erbaute Kloster Hilandar stellt das spirituelle Zentrum der Serbisch-Orthodoxen. Es wurde durch eine Schenkung des Byzantinischen Kaisers vom Begründer der Nemanjiden-Dynastie Stefan Nemanja und seinem Sohn, dem Nationalheiligen Sava, Ende des 12. Jahrhunderts auf dem Heiligen Berg Athos gegründet.
     
    Stefan Uroš IV. Dušan, serbischer König (1331–1346) und erster Zar (1346–1355), Fresko Kloster Lesnovo um 1350

    Erstmalige urkundliche Erwähnung findet ein Staat Serbien 822 bei Einhard, dem Biographen Karls des Großen. Zu dieser Zeit regierte der Župan Strojimir, der Enkel Višeslavs, Serbien. Etwa seit 600 ist die Herrschaft von Županen im Gebiet Serbiens bekannt. Sie waren Stammesanführer, die bis etwa 1000 die Regierung Serbiens innehatten. Nachdem Serbien von den Ungarn verwüstet worden war, fiel es völlig unter die Herrschaft von Byzanz, die von 950 bis 1050 anhielt. Um 1040 wurde Stefan Vojislav byzantinischer Archont über die als Dioklitien bezeichnete Region und begründete die bis 1131 dauernde Herrschaft der Vojisavljević, die weiterhin unter der Regierung von Byzanz stand. In der Region Raszien übernahmen um 1080 die Urošević und in ihrer Nachfolge ab 1167 die Herrscherdynastie der Nemanjiden, unter deren Führung Serbien der endgültige Aufstieg zur regionalen Großmacht gelang. Unter Zar Dušan (1331–1355), dem mächtigsten aller serbischen Herrscher, erreichte das serbische Reich den Höhepunkt seines politischen Einflusses und seiner Ausdehnung, während Dušan selbst zum mächtigsten König in Südosteuropa aufstieg. 1345 wurde er zum „Zar der Serben und Rhomäer“ in Skopje erhoben. Ab 1371 übernahm Lazarević die Herrschaft. Von 1427 bis 1459 war Raszien von Branković beherrscht.

    Am Ende des 14. Jahrhunderts drängten die Türken mehrmals gegen Serbien vor, das sich einer militärischen Besatzung hartnäckig widersetzte und die ersten Schlachten hauptsächlich für sich entscheiden konnte, darunter die Schlacht bei Dubravnica 1381 sowie die Schlacht bei Pločnik 1386. Wenige Jahre später kam es zur Schlacht auf dem Amselfeld (Kosovo Polje), indem das letzte verbliebene christliche Reich Südosteuropas unterworfen werden sollte und somit das letzte Hindernis zur Übernahme des Byzantinischen Reiches mit dessen Hauptstadt Konstantinopel durch die Osmanen beseitigt gewesen wäre.[1] Die Amselfeldschlacht endete ohne eindeutigen Sieger, die Anführer beider Streitmächte fielen.[1] Im Ergebnis aber war der Widerstand der serbischen Fürsten gegen einen militärischen beziehungsweise zahlenmäßig überlegenen Gegner derart geschwächt, dass das serbische Heer und seine Verbündeten im Jahr 1389 vernichtend geschlagen worden waren.[2] Sie mussten deshalb die Oberhoheit der osmanischen Sultane anerkennen, wodurch das serbische Restfürstentum tributpflichtig wurde, wenngleich allen voran Vuk Branković sich auch nach der Schlacht noch lange widersetzte.[1] Diese Schlacht wurde später zum nationalen Mythos der Serben verklärt. 1459 wurde Serbien endgültig von den Osmanen erobert und blieb bis 1804 Teil des Osmanischen Reiches.

    Unabhängigkeit, Fürstentum und Königreich Serbien
     
    Karađorđe, Anführer des Ersten Serbischen Aufstandes gegen die Osmanen 1804–1813

    Trotz zahlreicher Versuche, wieder unabhängig zu werden, wurde Serbien erst 1804 im ersten serbischen Aufstand teilweise befreit. 1813 wurde das Gebiet aber wieder von den Osmanen erobert. Erst im zweiten serbischen Aufstand 1815–1817 wurde Serbien teilweise ein autonomes Fürstentum unter osmanischer Oberhoheit. 1867 zwang Fürst Mihailo Obrenović die letzten osmanischen Regimenter, mit ihrem Hab und Gut das Fürstentum zu verlassen, und Belgrad konnte feierlich zur freien serbischen Hauptstadt geweiht werden. 1878 wurde auf dem Berliner Kongress der europäischen Großmächte und des Osmanischen Reiches die Unabhängigkeit von Rumänien, Serbien und Montenegro anerkannt. 1882 wurde das Fürstentum Serbien zum Königreich erklärt.

     
    Serbien nach den beiden Balkankriegen 1913

    Am 1. Novemberjul. / 13. November 1885greg. erklärte der serbische König Milan Obrenović Bulgarien den Krieg. Im Serbisch-Bulgarischen Krieg konnte die junge bulgarische Armee ohne jegliche Unterstützung die Serben besiegen. Nur das Eingreifen Österreich-Ungarns bewahrte das serbische Königreich. Der Krieg endete mit dem Frieden von Bukarest vom 3. März 1886, in dem der status quo ante wiederhergestellt wurde.

    Am 9. Oktober 1912 erklärte Montenegro der Hohen Pforte den Krieg. Die verbündeten Serben, Bulgaren und Griechen traten am 18. Oktober dem Krieg gegen das Osmanische Reich bei. Dieses verlor durch den Londoner Vertrag 1913 fast alle seine europäischen Besitzungen. Bulgarien auf der einen und Serbien und Griechenland auf der anderen Seite gerieten jedoch in heftigen Streit um die Aufteilung des von ihnen eroberten Makedonien. Daraufhin unternahm am 29. Juni Bulgarien einen Angriff auf Serbien. So kam es zum Zweiten Balkankrieg, in dem Serbien gemeinsam mit Griechenland, Rumänien und dem Osmanischen Reich gegen Bulgarien kämpfte. Angesichts dieser Übermacht musste Bulgarien im August 1913 kapitulieren und im Frieden von Bukarest seine im Ersten Balkankrieg gewonnenen Territorien teilweise wieder abtreten.

    Infolge der Balkankriege wurde der nördliche Teil Makedoniens serbisch (→Vardarska banovina), der östliche Teil bulgarisch, der südliche Teil Makedoniens und der südwestliche Teil Thrakiens griechisch.

    Serbien im Ersten Weltkrieg und in der Zwischenkriegszeit

    Im Ersten Weltkrieg stand Serbien von Anfang an auf Seiten der Entente cordiale, seine Kriegsziele sahen eine Zerschlagung Österreich-Ungarns und die Vereinigung aller südslawischen Völker in einem gemeinsamen Staat vor. Auslöser des Krieges war das durch den großserbische Ideologien vertretenden und auch in der serbischen Regierung sehr einflussreichen Geheimbund „Schwarze Hand“ angezettelte Attentat von Sarajevo auf den österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand von Österreich-Este. Serbien sah sich daraufhin mit einem praktisch unannehmbaren Ultimatum Österreichs konfrontiert. In Die Schlafwandler[3] zeigt Christopher Clark, dass die entscheidenden serbischen Politiker dies sehr wohl in Betracht zogen, hingegen politische Absprachen zu dessen Ablehnung führten. Dieser Vorgang löste zunächst die Julikrise von 1914 aus, die den Kriegsausbruch in ganz Europa zur Folge hatte.

    Die ersten Offensiven der Österreicher 1914 konnte die serbische Armee noch abwehren, erlitt aber empfindliche Verluste. Ein schwerer Schlag war der Ausbruch einer Seuche im Winter 1914/1915, Zehntausende Soldaten starben aufgrund der Kämpfe und der schlechten Versorgungslage.[4] Im Juli 1915 besetzte Serbien das benachbarte Albanien. Im Zuge einer koordinierten Offensive der Mittelmächte gegen das Land im Oktober 1915 zur Bereinigung der Balkanfront griffen jedoch österreichische, bulgarische und deutsche Truppen Serbien von drei Seiten an. Die serbische Armee entging zwar der völligen Vernichtung, musste sich aber zum Meer zurückziehen und erlitt dabei Verluste von weit über 90 Prozent der ursprünglichen Stärke. Währenddessen führten die Mittelmächte im besetzten Land ein strenges Besatzungsregime, dem die Serben mit Partisanenaktionen hartnäckig Widerstand leisteten. Mit der Niederlage der Mittelmächte 1918 ging auch Serbien trotz hoher Verluste als Siegermacht hervor.

    Nach Ende des Ersten Weltkriegs wurde das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen unter der Führung des serbischen Königs Alexander I. Karađorđević gegründet, das sich 1929 in Jugoslawien (Südslawien) umbenannte. Es bestand aus Serbien, dem bis dahin unabhängigen Montenegro sowie den meisten von Südslawen besiedelten Ländern der Österreichisch-Ungarischen Monarchie, wie Bosnien-Herzegowina, Dalmatien, Kroatien, Slawonien und Slowenien.

    Serbien führte am 15.jul. / 28. Januar 1919greg. offiziell den Gregorianischen Kalender ein.

    Innere Konflikte in der jugoslawischen Monarchie führten zu einem Erstarken nationaler Bewegungen. In Folge fielen der serbische König Alexander I. und der französische Außenminister Louis Barthou gemeinsam in Marseille am 9. Oktober 1934 einem Attentat kroatischer faschistischer Ustascha und mazedonischer VMRO-Anhänger zum Opfer. In der Folgezeit entwickelte sich ein autoritäres Regime, das Historiker heute als Königsdiktatur bezeichnen und das sich weitgehend auf den serbischen Teil der Bevölkerung stützte.

    Der Zweite Weltkrieg

    Im Zweiten Weltkrieg blieb Jugoslawien zunächst neutral und weigerte sich, dem Dreimächtepakt unter deutscher Führung beizutreten. Das Abkommen wurde erst nach offenen Kriegsdrohungen am 25. März 1941 von der Regierung Cvetković-Maček und Prinzregent Paul unterzeichnet. In Folge kam es in Serbien zu Demonstrationen, die schließlich am 27. März 1941 in einem probritischen Staatsstreich in Belgrad gipfelten, der von Petar II. Karađorđević unterstützt wurde. Die Regierung wurde gestürzt und Prinz Paul musste nach Griechenland fliehen. Kurz darauf begann der Einmarsch deutscher Truppen in Jugoslawien. Belgrad wurde am 6. April 1941 von der deutschen Luftwaffe bombardiert, was rund 20.000 zivile Opfer forderte. Innerhalb weniger Tage wurde Jugoslawien vollständig besetzt und von den Siegern aufgeteilt: Bosnien, die Herzegowina und Syrmien wurden dem neuen Unabhängigen Staat Kroatien angeschlossen. Die Banovina Zeta (heute überwiegend Montenegro und Kosovo) wurde von den mit Deutschland verbündeten italienischen Truppen besetzt. Die Batschka fiel an Ungarn, während das Banat und ein „Rumpfserbien“ unter deutsche Besatzung gerieten. Süd- und Zentralserbien wurden im Laufe des Krieges schließlich zur bulgarischen Okkupationszone. Unter dem deutschen „Befehlshaber Serbien“ wurde eine Marionettenregierung unter General Milan Nedić eingesetzt, die nur geringe Befugnisse besaß. Nach der deutschen Besetzung kam es in Serbien Anfang Juli 1941 zu einem Volksaufstand, der sich später auf Montenegro, Bosnien und Kroatien ausweitete.

     
    Partisanenhinrichtung durch die deutsche Wehr­macht in Serbien, 1941

    Der antifaschistische Widerstand in Serbien wurde von der Kommunistischen Partei Jugoslawiens (KPJ) sowie der absolutistisch-monarchistischen Exilregierung Jugoslawiens unter dem König Peter II. organisiert. Die von der KPJ kontrollierte Partisanenbewegung begann nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 den Widerstand gegen die Wehrmacht, aber auch den offenen Kampf gegen die jugoslawische Monarchie. Der Widerstand der Monarchisten gegen die aufgezwungene Politik Hitlers begann etwas früher mit dem Sturz des Prinzregenten Paul und dessen Marionette Ministerpräsident Cvetković durch General Dušan Simović am 25. März 1941. In Serbien konnten die Partisanen im Herbst 1941 in der Gebirgsregion um Užice die befreite Republik Užice ausrufen und 73 Tage gegen die Wehrmacht halten. Nach dem Zusammenbruch des Aufstands, der Vertreibung der Partisaneneinheiten und ihrer Verlegung nach Bosnien wurde der Widerstand gegen die faschistischen Besatzer in Serbien nur noch von den Tschetniks aufrechterhalten.

    1942, noch unter deutscher Besatzung, hatten die Kommunisten das aktive und passive Frauenwahlrecht anerkannt.[5] Die volle rechtliche, wirtschaftliche und gesellschaftliche Gleichberechtigung der Geschlechter und damit das aktive und passive Frauenwahlrecht wurden erstmals in der Verfassung von 1946 garantiert.[6][7]

    Die jugoslawischen Partisanen warfen den Tschetniks vor, unter dem Regierungschef Nedić kritiklos die Verbrechen an Serben durch die deutschen und kroatischen Besatzer hinzunehmen und offen mit ihnen zu kollaborieren. Die Tschetniks wurden teilweise von Benito Mussolinis faschistischem Italien, aber auch von den Westmächten unterstützt. Sie leisteten den Ustaschas, aber auch den Tito-Partisanen in Bosnien und Kroatien Widerstand und warfen ihrerseits den Partisanen vor, die rücksichtslosen Vergeltungsmaßnahmen der deutschen Besatzer in Serbien zu provozieren und einen revolutionären Kampf auf dem Rücken der Zivilbevölkerung auszutragen. Oftmals wurde der Tod von Wehrmachtssoldaten mit der Erschießung von Hunderten serbischer Zivilisten vergolten. Einige Tschetnik-Führer, wie Kosta Pećanac und Dimitrije Ljotić, arbeiteten mit den Besatzern eng zusammen und beteiligten sich an Militäraktionen der Wehrmacht gegen die kommunistischen Partisanen.

    Im Oktober 1944 konnte die 3. Ukrainische Front der Roten Armee unter Marschall Tolbuchin in der Belgrader Operation die Heeresgruppe Südukraine schlagen und in Serbien einmarschieren. Mit dem Vormarsch der Roten Armee nach Südosteuropa und dem durch den Zusammenbruch der Heeresgruppe Südukraine erzwungenen Rückzug der Achsenmächte konnte der von den Kommunisten geführte Volksbefreiungskampf NOB (Narodna Oslobodilačka Borba) mit Einheiten der Jugoslawischen Volksbefreiungsarmee koordiniert mit der sowjetischen Führung auf das Territorium Serbiens ausgeweitet werden.

    Serbien in der Sozialistischen Ära
     
    Flagge der Teilrepublik Serbien während der sozialistischen Ära
     
    Ein in der Zeit der sozialistischen Ära stark polarisierendes Ereignis bildete die Eröffnungsfahrt der Bahnstrecke Belgrad–Bar am 28. Mai 1976. Die Strecke war das kostspieligste, langwierigste und letztlich auch letzte aus einem gesamtstaatlichen Infrastrukturfond geplante Projekt Jugoslawiens. Pioniere begrüßten Staatspräsident Tito und seine Ehefrau Jovanka auf der historischen Fahrt im Plavi voz.

    Aus dem Zweiten Weltkrieg gingen die Partisanen Titos als Sieger hervor. Serbien wurde eine von sechs Teilrepubliken des kommunistischen Jugoslawien. Bis 1963 trug die Teilrepublik den Namen Volksrepublik Serbien (Narodna Republika Srbija), danach trug sie die Bezeichnung Sozialistische Republik Serbien (Socijalistička Republika Srbija).

    Serbien erhielt Ost-Syrmien, aber Mazedonien wurde wie Montenegro eine eigenständige Teilrepublik. Im Jahr 1974 erfolgte auf Beschluss der Kommunistischen Partei unter Tito und Edvard Kardelj eine Verfassungsänderung und Neugliederung Serbiens in drei Teile: das „engere Serbien“ (Zentralserbien) und die weitgehend Autonomen Provinzen Vojvodina und Kosovo. Im Präsidium der SFRJ war Serbien seither mit drei (von insgesamt acht) Sitzen vertreten.

    Grundsätzliches Merkmal der Entwicklung der serbischen Gesellschaft und der anderen jugoslawischen Republiken im Sozialistischen Jugoslawien war das Herauswachsen einer unterentwickelten bäuerlichen Gesellschaft in die eines halbindustrialisierten europäischen Staates.[8] In seiner von 1945 bis zum Zusammenbruch des Kommunismus 1990 dauernden Zeit bildete die Form der osteuropäischen Diktatur des Proletariats einen zivilisatorischen Sprung der Gesellschaft in eine neue Form, wie sie vorher nicht existierte. Fernand Braudel befand dabei alle osteuropäischen Diktaturen als äußerst fruchtbares Terrain für die Formung neuer industrieller Gesellschaften.[9] Die dafür notwendige brutale Akkumulation von Kapital stammte aus der Verstaatlichung des agrarischen Besitzstandes. In Westeuropa hatte Thomas Moore den Prozess des Übergangs einer feudalen in eine industrielle Gesellschaft mit der Metapher die Schafe fressen die Menschen belegt.

    In den Staaten Osteuropas aßen nach 1945 nach Milorad Ekmečić die industriellen Maschinen die Bauern, da die Kollektivierung der Dörfer den sozialen Rahmen für den Raub der Werte der agrarischen Produktion stellte.[9] Über diesen Fond wurde die rasante Industrialisierung der agrarischen Gesellschaften durch Pauperisierung des althergebrachten Dorfes betrieben. So lebten 1937 in Serbien noch 76,3 % der gesamten Einwohner von der Landwirtschaft, gegenüber 29 % in Frankreich. In einigen Regionen Jugoslawiens, wo großteils Serben lebten, war der Prozentsatz der Agrarischen Gesellschaft noch größer. In Bosnien und der Herzegowina gehörten nach dem Zensus 1948 10 % zur städtischen Bevölkerung, davon entfielen auf die Serben nur 2 %.[10] 1946 wurde das Gesetz zur Nationalisierung verabschiedet, was die grundsätzliche Abkehr der dem Kommunismus abgeneigt stehenden Bevölkerungsschichten fundamental zementierte. Alleine dieses Gesetz bewirkte bei den 9 Millionen Einwohnern Serbiens einen Kulturschock, zudem noch 1948 auch das Handwerk nationalisiert wurde.

    Während des Erfolges der Industrialisierung 1945–1965 verließen 9.200.000 Menschen Jugoslawiens ihr dörfliches Umfeld.[10] Eine Million Serben siedelten so aus anderen Republiken in Serbien an. Diese Binnenwanderung warf die Städte mehr zurück, als es die Dörfer weiterentwickelte. Sowohl Stadt als auch Dorf wurden kulturelle Hybriden. Durch die millionenfache Wanderung der Agrarbevölkerung in die Städte ging der überkommene Typus des Städters verloren, wie sich auch durch die Kollektivierung des Dorfes ein breites agrarisches Proletariat herausbildete.[10] Als Ergebnis stand die Transformation der Stadt, in der es sich ländlich lebte, wie des Dorfes, wo die Form der Mentalität des Gutsherren, der für den Markt produzierte, verschwand. Die aus der Partisanenbewegung entstammenden ehemaligen Soldaten wurden zu Städtern, was Branko Čopić als „Achte Offensive auf die Seidenhosen“ beschrieb. Den Gestaltswandel Belgrads zu einer neuen Industriestadt hatte Ekmečić metaphorisch mit der Verwandlung einer „schönen Larve zu einem häßlichen Schmetterling“ belegt; auch als der Dichter Miloš Crnjanski 1965 aus seinem langen Londoner Exil nach Belgrad zurückkehrte, fand er, dass ihn das alte Belgrad nur noch „mit Tränen in den Augen empfing“.

    Der erste Fünfjahresplan zur Entwicklung der jugoslawischen Gesellschaft wurde 1947 verabschiedet. Die Schwerindustrie wurde aus militärstrategischen Gründen in das Landesinnere angesiedelt. Diese Schwerindustrie, die überwiegend den Bedarf einer starken Armee deckte, wurde in Serbien und Bosnien konzentriert. Stahlwerke entstanden in Zenica (Bosnien) und Smederevo, Kraftfahrzeugproduktionsstätten in Priboj und Kragujevac. In der Verhüttung von Buntmetallen wuchsen die Blei-Zink Gruben bei Priština und die von Kupfer in Bor zu wahren Giganten, die auch im europäischen Maßstab bedeutend wurden. Niš wurde das Zentrum der Elektroindustrie (Elektronska industrija – Ei). Bis zum Ende des Fünfjahresplanes 1965 besaß Serbien so eine Fahrzeug- und Motoren- (Traktoren, Automobile, Lastwagen), Maschinen- (Niš und Belgrad) und Petrochemie-Industrie (Pančevo und Novi Sad). Sehr spät fand das System der Planwirtschaft Kritiker und 1965 kehrte man gänzlich davon ab. Für die zweite Hälfte der 1960er Jahre wurde kein Fünfjahresplan mehr verabschiedet, spätere Fünfjahrespläne blieben nur mehr deklarative Absichten ohne bindende Funktion.

    Trotz der nach 1965 auffälligen industriellen Stagnation bildeten die Jahre 1945–1965 einen bedeutenden zivilisatorischen Umbruch der Gesellschaft. Der Kommunismus wurde in dieser Zeit quasi als „Religion“ gesehen und war daher auch hierin so effizient.[11] Der massenhafte Einsatz der freiwilligen Omladinske Brigade wurde schon in den von der Okkupation befreiten Gebieten 1941 praktiziert, obwohl diese Praxis in der Sowjetunion unbekannt war. Als Schwungrad konnten im Einsatz von Massenarbeitskräften der Omladinske Brigade für das Land bedeutende Infrastrukturprojekte beendet werden (Autoput, Donau-Theiss-Donau Kanal, sowie das Wasserkraftwerk Đerdap I).[12] Insbesondere wurde aber so die über die gesamten Südost-Dinariden auf 476 km Länge führende Gebirgsbahn Belgrad-Bar trotz massiven Erd- und Tunnelaushubs und des immensen Materialaufwands bei der Trassenlegung durch ein verkehrsfeindliches Hochgebirge zu vier Fünftel in nur acht Jahren vollendet. Jugoslawien hatte so „Europas Giganten der Bergeisenbahnen“ bekommen (Ascanio Schneider). Diese neue Hauptstrecke der jugoslawischen Eisenbahnen bildete erst die vierte Hauptverkehrstransversale über die Dinariden (die schon bestehenden waren Ljubljana-Koper, Zagreb-Rijeka, Vrpolje-(Sarajewo)-Ploče) und verband erstmals Montenegro mit Serbien in einer zeitgemäßen modernen Form.[13] Diese Verkehrsachse wurde nicht nur unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten gebaut, indem sie die Montenegrinische Küste mit dem neugebauten Hafen in Bar als wirtschaftlich dynamischsten Teil Montenegros mit den Getreidefeldern der Vojvodina und der Großstadt Belgrad verband (in Pančevo wurde der Großteil des in Bar angelandeten überseeischen Phosphats für die Düngemittelherstellung verarbeitet),[14] sondern strahlte starke politische Impulse aus. Hatten Ende des 19. Jahrhunderts und Anfang des 20. Jahrhunderts Rivalitäten zwischen den Großmächten und den Balkanländern um die konkurrierenden Eisenbahnprojekte einer Transbalkanischen-Eisenbahn zwischen Donauebene und Adriaküste verhindert,[15] so wurde diese innerhalb Jugoslawiens damit schließlich Realität. Da es während des Bahnbaus um die Finanzierung von strategischen Infrastrukturprojekten aus Bundesmitteln zwischen Slowenien und Kroatien sowie Serbien und Montenegro heftige Meinungsverschiedenheiten gab, wurden diese Fonds allgemein zum 31. Dezember 1970 eingestellt. Serbien und Montenegro mussten daher fast zwei Drittel der Kosten selbst aufbringen, die Großteils nur über eine stark überzeichnete Volksanleihe, sowie über einen IBRD-Kredit der Weltbank stammten.[16][17] Die Einweihung der Strecke am 28.–29. Mai 1976 geschah durch die in den nationalen und internationalen Medien stark rezipierte Fahrt Josip Broz Titos im Staatszug Plavi voz. Während der feierlichen Einweihung beschwor Tito vielfach die Einheit Jugoslawiens (Bratstvo i jedinstvo), die jedoch schon seit Anfang der Siebziger durch den Kroatischen Frühling in der die weitere Dezentralisierung durch Annahme der von Edvard Kardelj ausgearbeiteten neuen Verfassung von 1974 die Auflösung Jugoslawiens in separate Staaten weiter zementierte.

    „Das worüber wie ich schon sagte, schon über ein Jahrhundert lang geträumt wurde, konnte im bourgeoisen Jugoslawien nicht verwirklicht werden. Das war nur in der sozialistischen jugoslawischen Gemeinschaft möglich, einer vielvölkischen, aber in allen ihrem Wirken geeinten Gesellschaft, die sich in ihrem Bestreben und ihrer Beständigkeit eine bessere Zukunft erarbeitet.“

    Josip Broz Tito: Ein Jahrhunderttraum wurde verwirklicht[18]

    Hatte die Verfassungsänderung zu einem Aufruhr geführt, so waren die Kulturbehörden in ihrem nationalen Programmen schon in den 1960ern vorangegangen. Die Kultur wurde mit der Separierung der Sprache nach der ersten Novellierung der Verfassung von 1963 Sammelbecken nationaler Ambitionen. 1967 wurde die Schaffung der Kroatischen Schriftsprache deklarativ unter Führung Miroslav Krleža eingefordert.[19] Ivo Andrić reagierte erbost auf diese Haltung des bedeutendsten kroatischen Autors: Einst ein großer Jugoslawe, ist er jetzt ein provinzieller Kroate geworden, etwas gegen das er früher unglaublich stark angekämpft hatte.[19] Auch während einer Aussprache Krležas mit Andrić 1970 im vom damals in nationalistischen Euphorie schwelenden Zagreb,[20] war die tiefe Staatskrise beherrschendes Thema. Aufgrund dieser inneren Schwächung Jugoslawiens wurde der mit 86 Jahren altersschwache und durch eine schwere Form von Alterszucker gesundheitlich schon stark angeschlagene Tito am 23. Juni 1978 in einer Sitzung der SKJ zum lebenslangen Präsidenten gewählt,[21] was ein Versuch war, die Einheit Jugoslawiens mit einer symbolischen Handlung zu garantieren. Nach Titos Tod 1980 setzte sich die schleichende Auflösung des jugoslawischen Gesamtstaates unvermindert fort. Politiker wie Intellektuelle aller Teilrepubliken und Autonomen Provinzen, insbesondere Sloweniens, Serbiens, Kroatiens, Bosniens sowie der Albaner des Kosovo wandten sich auch durch die Wirtschaftskrise Jugoslawiens in den 1980er begründet, mehr und mehr nationalistischen Programmen zu. Durch die Staatskrise Jugoslawiens und die als nationale Erhebung empfundene Wiedergeburt Serbiens um den neuen starken Mann Serbiens, Slobodan Milošević, wurde die Autonomie des Kosovos seit 1987 beschnitten und 1989 gänzlich aufgehoben. Mit der von Milošević populistisch angeführten antibürokratischen Revolution nahm der serbische Nationalismus 1988/89 für den Zusammenhalt Jugoslawiens immer bedrohlichere Züge an. Nach mehreren Großmanifestationen in Belgrad gipfelte dieser in der 600-Jahr Feier der Schlacht auf dem Amselfeld in der Amselfeld-Rede.[22]

    Mit dem Austritt Sloweniens aus dem Bund der Kommunisten auf dem 14. Kongress des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens 1990 war die Lage auf Staatsebene mittlerweile zum Zerreißen gespannt. Parallel bildete sich unter den Krajina-Serben in Kroatien eine Opposition zur kroatischen Unabhängigkeitsbewegung, die eine aktive Selbstverwaltung anstrebte und auch eine militärische Loslösung der Krajina von Kroatien einplante. Die von Serbien, Kroatien und Slowenien einkalkulierte militärische Lösung der Jugoslawienkrise war damit Realität geworden.[23] Das anschließende geheime Karađorđevo-Abkommen zwischen Milošević und Tuđman am 26. März 1991,[24] das die Teilung Bosniens zwischen Kroatien und Serbien im anstehenden Zerfall Jugoslawiens vorsah,[23] war der erste offensive Schritt einer Neugestaltung des jugoslawischen Territoriums.[23]

    Jugoslawienkriege 1991–1995 und Kosovokrieg 1998–1999
     
    Trajektoren und Abflugorte für die NATO Luftwaffeneinsätze in der Bombardierung Jugoslawiens vom 24. März – 11. Juni 1999. Ausstellungstafel im Militär-Museum in Belgrad.

    Die Jugoslawienkriege brachen letztlich mit der Unabhängigkeitserklärung Sloweniens und Kroatiens und nachfolgend Bosnien-Herzegowinas aus. Anfangs waren reguläre Einheiten der Jugoslawischen Volksarmee (JNA), die nach der internationalen Anerkennung Sloweniens, Kroatiens und Bosniens unter Rückzugsgefechten die Republiken verließen oder sich zur Armee der bosnischen und kroatischen Serben wandelten, am Krieg beteiligt. Insbesondere kulminierte der serbisch-kroatische Krieg in Vukovar, in dem die JNA, die sich im ersten Slowenien-Krieg noch passiv verhalten hatte,[23][25] nun offen auf serbischer Seite mit allen verfügbaren Mitteln eingriff. Serbien unterstützte insbesondere zu Beginn des Krieges die Republik Serbische Krajina und die bosnischen Serben militärisch und finanziell, verhängte im Verlauf des Krieges aber ein Embargo über die bosnische Serbenrepublik.

    Während des Krieges in Bosnien verhängte die UNO ein Handelsembargo gegen die Bundesrepublik Jugoslawien. Auslöser der Sanktionen waren unter anderem die ethnischen Säuberungen, wie z. B. die Ermordung von 8000 Männern und Jungen in Srebrenica, die sich vor allem gegen die bosnischen Muslime, aber auch andere Nichtserben in Bosnien richteten. Den kroatischen und bosnischen Serben gelang zu Kriegsbeginn die Besetzung großer Teile von Kroatien und Bosnien, insbesondere der mehrheitlich von Serben bewohnten Distrikte. Im Verlauf der kroatischen Militäroperation Oluja 1995 wurde der Großteil der serbischen Bevölkerung aus Kroatien vertrieben, was mit der militärischen Wende in Bosnien und dem Dayton-Abkommen zum Kriegsende führte. Etwa 700.000 Serben flohen während der Kriege in Bosnien und Kroatien nach Serbien.[26]

    Nach dem Abkommen von Dayton, das den Bosnienkrieg beendete und dem Ende der „Republik Serbische Krajina“, blieb nach 1995 der Status der mehrheitlich von Albanern besiedelten Provinz Kosovo die letzte politisch brisante Frage in den Zerfallskriegen Jugoslawiens. Die zunehmend gewalttätigeren Unruhen im Kosovo versuchte die serbische Führung unter Slobodan Milošević mit restriktiven polizeilichen und schließlich auch militärischen Mitteln zu beenden. Die mit terroristischen Mitteln operierende UÇK („Befreiungsarmee des Kosovo“) begann 1996 mit verstärkten Angriffen auf serbische Sicherheitskräfte. Zudem kam es zu Gewaltaktionen gegen die serbische Zivilbevölkerung in den Städten. Mit der Aufrüstung der UÇK aus Waffenbeständen Albaniens, wo nach dem Lotterieaufstand die öffentliche Ordnung völlig zusammenbrach und ganze Munitions-Bestände geplündert wurden, setzte diese den Konfrontationskurs gegen serbische Sicherheitskräfte verstärkt fort. Durch verstärkte Aktivität der UÇK, die im Verlauf des Jahres 1998 die Kontrolle in der Region Drenica gewinnen konnte, begannen serbische Sicherheitskräfte eine koordinierte polizeiliche Gegenoffensive, die von Einheiten der Armee unterstützt wurde. Durch schwere Menschenrechtsverletzungen während der Kämpfe sahen sich die westlichen Staaten unter Führung der USA jetzt, auch im Hinblick auf ihre Untätigkeit in Srebrenica vier Jahre zuvor, in der Pflicht. Die USA gaben der serbischen Führung die alleinige Schuld an der Eskalation. Nach neuerlichem Aufflammen der Gefechte im Frühjahr 1999 stellte der Nordatlantikrat kurze Zeit später ein Ultimatum an Serben und Kosovo-Albaner, in dem beide Seiten zur Aufnahme von Verhandlungen aufgefordert wurden. Die internationale Friedenskonferenz wurde für den 6. Februar 1999 im Château Rambouillet angesetzt[27] (vgl. Vertrag von Rambouillet).

    Die Ablehnung des Ultimatums interpretierte die NATO als Casus Belli und begann am 24. März 1999 mit der Luftkriegsoperation Allied Force gegen die Bundesrepublik Jugoslawien. Diese Operation wird von der Mehrheit der Völkerrechtler bis heute als illegal angesehen.[28] Unter dem militärischen Druck der NATO billigte das serbische Parlament am 3. Juni den Friedensplan der G8-Staaten und die Kernforderungen der NATO. Am 9. Juni unterzeichnete die jugoslawische Regierung das Abkommen von Kumanovo, das den etappenweisen Rückzug der jugoslawischen Truppen, den gleichzeitigen Einmarsch der internationalen Sicherheitstruppe KFOR sowie die Suspendierung der Luftschläge der NATO vorsah. Nach 78 Tagen Krieg ordnete der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen dann am 10. Juni 1999 mit der UN-Resolution 1244 eine internationale zivile Übergangsverwaltung (UNMIK) und eine Sicherheitspräsenz der NATO im Kosovo an. Noch am Abend des 10. Juni erteilte der Nordatlantikrat KFOR den Einsatzbefehl.

    Diese Regelungen bestätigten die Zugehörigkeit der Provinz Kosovo zu Jugoslawien vorbehaltlich einer endgültigen Statusregelung. Mit dem Rückzug der jugoslawischen Armee und Polizei verließen über 200.000 Serben die Provinz. Ein Großteil der im Kosovo verbliebenen Serben wurde von den Albanern gewaltsam vertrieben, Hunderte wurden ermordet oder gelten als vermisst.

    Demokratisierung und Auflösung des Bundes mit Montenegro

    Bei den Präsidentschaftswahlen am 24. September 2000 wurde Vojislav Koštunica zum jugoslawischen Präsidenten gewählt, was das Ende der Ära Milošević einleitete. Bei den Parlamentswahlen im Dezember 2000 errang die DOS einen überwältigenden Sieg. Im Januar 2001 wurde Zoran Đinđić zum neuen Ministerpräsidenten gewählt. Dies führte u. a. dazu, dass Slobodan Milošević am 29. Juni 2001 an den Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) in Den Haag ausgeliefert wurde. Am 12. März 2003 wurde Đinđić auf offener Straße von Attentätern aus den Reihen der ehemaligen „Roten Barette“ ermordet. Erst im Juni 2004 wurde ein neuer Präsident gewählt, es gewann der liberale und Europa zugewandte Reformer Boris Tadić die Präsidentschaftswahl.

    Serbien bemüht sich seit der Demokratisierung im Jahr 2000 stärker um die Integration in die Europäische Union. Verhandlungen über ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen (SAA) begannen im November 2005. Serbien ratifizierte im September 2008 einseitig das vorläufige Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit der EU, da sich die Niederlande gegen eine Ratifizierung von Seiten der EU widersetzten. Am 7. Dezember 2009 wurde von den Außenministern der EU-Staaten ein Interimsabkommen für Handelserleichterungen mit Serbien freigegeben. Die weitreichendste Veränderung im Verhältnis der EU mit Serbien war die vom 19. Dezember 2009 an gültige Reiseerleichterung für serbische Staatsbürger, die seitdem visafrei in die EU reisen können. Die serbische Regierung stellte am 22. Dezember 2009 einen Antrag auf Mitgliedschaft in der Europäischen Union. Die für Dezember 2011 erwartete Anerkennung des Status als Beitrittskandidat der Europäischen Union wurde hauptsächlich auf Betreiben von Deutschland wegen des schwelenden Kosovokonflikts zunächst auf März 2012 verschoben (vgl. Serbien und die Europäische Union).

    Trotz der Demokratisierung schritten die Zerfallsprozesse des serbischen Staates, als einem der letzten der aus Jugoslawien hervorgegangenen Staaten, fort. Nach dem Zerfall der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien (SFRJ) bildeten ab 1992 zunächst nur noch Serbien und Montenegro die Bundesrepublik Jugoslawien. Diese wurde nun durch Parlamentsbeschluss des damaligen Bundesparlaments am 4. Februar 2003 aufgelöst und durch Serbien und Montenegro (Srbija i Crna Gora) abgelöst. Am 5. Juni 2006 erklärte das serbische Parlament in Belgrad die formale Unabhängigkeit des Landes, nachdem Montenegro diesen Schritt nach der Volksabstimmung am 21. Mai 2006, die zugunsten der Unabhängigkeit ausfiel, bereits am 3. Juni 2006 mit der Unabhängigkeitserklärung des montenegrinischen Parlaments in Podgorica vollzogen hatte. Serbien wurde Nachfolgestaat des Staatenbundes bei den Vereinten Nationen. Am 30. September 2006 verabschiedete das Parlament in Belgrad einstimmig und nach sechsjähriger Auseinandersetzung eine Verfassungsnovelle für Serbien. Bei einer Volksabstimmung einen Monat später wurde die neue Verfassung angenommen und später vom Parlament beschlossen.[29] Am 17. Februar 2008 bekundete mit dem Kosovo ein Staatsgebiet Serbiens seine Souveränität, das von der Londoner Botschafterkonferenz 1913 Serbien zugeschlagen worden war. Die serbische Regierung und das serbische Parlament halten diese Sezession für unzulässig, völkerrechtlich ist sie umstritten. Nach dieser Unabhängigkeitserklärung kam es in verschiedenen Städten zu Unruhen, bei denen besonders Botschaften der unabhängigkeitsbefürwortenden Staaten angegriffen wurden. Zugleich erklärten die Serben im Norden des Kosovo, parallele Polizei- und Verwaltungsstrukturen aufgebaut zu haben.

    Nachdem es im Mai 2008 abermals zu vorgezogenen Neuwahlen gekommen war, wurde im Juli 2008 eine Koalitionsregierung unter Führung der bisher bereits regierenden Demokratischen Partei unter anderem zusammen mit der bisher oppositionellen Sozialistischen Partei gebildet. Wenige Tage nach der Regierungsbildung gelang es, den lange gesuchten mutmaßlichen Kriegsverbrecher Radovan Karadžić in Belgrad zu verhaften, was zu kurzzeitigen, teilweise gewalttätigen Protesten nationalistischer Bevölkerungsteile führte. Gleichzeitig wurde der Weg zur Ratifizierung des Stabilisierungs- und Assoziationsabkommens (SAA) frei gemacht, die am 9. September 2008 vom serbischen Parlament bestätigt wurde.

    Im Zuge der Coronavirus-Pandemie im Jahr 2020 verhängte der im Jahr 2017 zum Präsidenten gewählte Aleksandar Vučić nach zuvor getroffenen Ausgangssperren eigenhändig, ohne Parlamentsentscheidung, den Notstand; ob er dadurch Verfassungsbruch beging, ist umstritten.[30]

    ↑ a b c Momčilo Spremčić: Vuk Branković i Kosovska bitka. In: Glas, Odeljenje istorijskih nauka. Nr. 9. Serbische Akademie der Künste, Belgrad 1996, S. 85–108. Jan N. Lorenzen: Die großen Schlachten. Mythen, Menschen, Schicksale. Campus, Frankfurt am Main/New York 2006, S. 22. The Sleepwalkers. How Europe went to War in 1914. Allen Lane, London u. a. 2012, ISBN 978-0-7139-9942-6 (aus dem Englischen von Norbert Juraschitz: Die Schlafwandler. Wie Europa in den Ersten Weltkrieg zog. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2013, ISBN 978-3-421-04359-7; als Hörbuch: Random House Audio, 2013, ISBN 978-3-8371-2329-6). Slavka Mihaljovic: Tagebuch einer Ärztin – Belgrad. In: Gordana Ilic Markovic (Hrsg.): Veliki Rat. Der Große Krieg. Der Erste Weltkrieg im Spiegel der serbischen Literatur und Presse. Promedia, Wien 2014, ISBN 978-3-85371-368-6, S. 106 ff. Marie-Janine Calic: Geschichte Jugoslawiens im 20. Jahrhundert. C. H. Beck München, 2. Auflage, 2014, S. 167 Marie-Janine Calic: Geschichte Jugoslawiens im 20. Jahrhundert. C. H. Beck München, 2. Auflage, 2014, S. 216 – New Parline: the IPU’s Open Data Platform (beta). In: data.ipu.org. Abgerufen am 6. Oktober 2018 (englisch). Milorad Ekmečić 2011: Dugo kretanje između klanja i oranja – istorija Srba u novom veku (1492–1992). Evro Giunti, S. 507. ↑ a b Milorad Ekmečić 2011, S. 507. ↑ a b c Milorad Ekmečić 2011, S. 508. Milorad Ekmečić 2011, S. 509. Milorad Vasović 1980: Les grands travaux publics comme facteur de transformation de l'espace géographique en Serbie. Méditerranée, Volume 38, Numéro 38, S. 21–31 (Persée: PDF) (Memento vom 8. Februar 2015 im Internet Archive) Jean Nicod 1982: Les transformations et le rôle structurant du réseau de transport intérieur yougoslave. Méditerranée, n°l, S. 19–27. (Persée:PDF) (Memento vom 24. September 2015 im Internet Archive) Jean Nicod 2004: Les nouvelles frontières dans l'espace dinarique : résurgences historiques et ethniques, adaptations locales au relief et quelques limites aberrantes. Méditerranée, Tome 103, 3-4-2004. Transitions balkaniques, S. 5–20 (Persée: PDF) (Memento vom 24. September 2015 im Internet Archive) Transitions online, June 11 1996 Anniversaries: 20 Years of the Belgrade-Bar Railway: Headaches on Rails REPORT AND RECOMMENDATION OF THE PRESIDENT TO THE EXECUTIVE DIRECTORS ON A PROPOSED LOAN TO THE YUGOSLAV INVESTMENT BANK FOR THE BELGRADE-BAR RAILWAY PROJECT (Worldbank:PDF) Yugoslavia – Belgrade-Bar Railway Project : Loan 0531 – Guarantee Agreement – Conformed (Worldbank:PDF) Josip Broz Tito: Borba, 30. Mai 1976, Nr. 147, S. 6 (*To o čemu se, kao što rekoh, sanjalo više od jednog stoljeća, nije moglo biti ostvareno u buržoaskoj Jugoslaviji. To je bilo mogućno u socijalističkoj jugoslovenskoj zajednici, mnogonacionalnoj, ali jedinstvenoj po svojim težnjama, svome radu i svojoj upornosti da izradi ljepšu budućnost). ↑ a b Milorad Ekmečić 2011, S. 541. Milorad Ekmečić 2011, S. 541–542. Milorad Ekmečić 2011, S. 542. Stipe Suvar, ehemaliges Mitglied des Jugoslawischen Politbüros und führendes Mitglied der Kommunisten Kroatiens, Radio Slobodna Evropa, 27. Februar 2008 Svjedoci raspada: Stipe Šuvar: Moji obračuni s njima ↑ a b c d Omer Karabeg: Svjedoci raspada. Vasil Tupurkovski: Raspad je bio neminovan, ali ne i rat, Radio Slobodna Evropa im Interview mit Vasili Tuporkovsk, ehemaliges Mitglied Mazedoniens im Staatspräsidium Jugoslawiens, 27. Februar 2008. Stjepan Mesic, ehemaliger Präsident Kroatiens, Radio Slobodna Evropa, 27. Februar 2008 Svjedoci raspada. Stjepan Mesić: Ja sam dogovorio sastanak u Karađorđevu Branka Mihajlović: Borisav Jović: Svako rešenje je bilo bolje od rata, Radio Slobodna Evropa im Interview mit Borisav Jović, einstmals Vorsitzender des jugoslawischen Staatspräsidiums, 27. Februar 2008. Michael Martens: Randalieren für das Serbentum, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 14. Oktober 2010. Constitutional Watch – A country-by-country update on constitutional politics in Eastern Europe and the ex-USSR (Memento vom 9. Juni 2008 im Internet Archive), New York University School of Law, Vol. 8, No. 1–2, 1999. Thomas Breitwieser: Internationales Engagement im Spiegel des Völkerrechts. In: Bernhard Chiari, Agilolf Keßelring (Hrsg. im Auftrag des MGFA): Wegweiser zur Geschichte: Kosovo. Paderborn 2008, ISBN 978-3-506-75665-7, S. 137. srbija.sr.gov.yu: Proglašeni konačni rezultati referenduma Keno Verseck: Die Demokratie wird eingesperrt. Abgerufen am 28. April 2020.
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  • Sicherheit

    In Serbien ist die Sicherheit durch die Polizei gewährleistet. Die meisten Polizisten sprechen kein Englisch, dadurch kann es zwischen Tourist und Polizist kommunikativ problematisch werden. Wenn sich ein Zwischenfall ereignen sollte, wählen Sie die 192 als Rufnummer oder kontaktieren Sie Ihre jeweilige Botschaft in Belgrad. Wegen häufiger Schießereien oder Morden wird davon abgeraten, sich im Gebiet des Sandzak (Südserbien) aufzuhalten. Man sollte es vermeiden nachts durch Serbien zu fahren, da die meisten Straßen nicht beleuchtet sind oder der Asphalt in desolatem Zustand ist. Es ist wichtig seine Reiseunterlagen immer bei sich zu haben.

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