Великий Новгород
( Weliki Nowgorod )Weliki Nowgorod (russisch Вели́кий Но́вгород), bis 1999 Nowgorod, ist eine Großstadt in Russland mit 218.717 Einwohnern (Stand: 14. Oktober 2010). Sie liegt etwa 164 km südsüdöstlich von Sankt Petersburg am Wolchow nördlich des Ilmensees und ist das Verwaltungszentrum der Oblast Nowgorod im Föderationskreis Nordwestrussland.
Bis 1999 hieß die Stadt offiziell nur Nowgorod, auch Novgorod geschrieben (russisch Новгород). Weliki Nowgorod bedeutet wörtlich Großes Nowgorod („groß“ im Sinne von „bedeutend“). Frühere Namen (als Exonyme) waren deutsch Navgard, Naugard, Neugarten, Neugard und altnordisch Hólmgarðr.
Als eine der ältesten Städte Russlands feierte Weliki Nowgorod im September 2009 sein 1150-jähriges Bestehen. Im 9. Jahrhundert war Nowgorod die erste Hauptstadt der jungen Kiewer Rus. Vom 12. bis 15. Jahrhundert war Nowgorod Haupts…Weiterlesen
Weliki Nowgorod (russisch Вели́кий Но́вгород), bis 1999 Nowgorod, ist eine Großstadt in Russland mit 218.717 Einwohnern (Stand: 14. Oktober 2010). Sie liegt etwa 164 km südsüdöstlich von Sankt Petersburg am Wolchow nördlich des Ilmensees und ist das Verwaltungszentrum der Oblast Nowgorod im Föderationskreis Nordwestrussland.
Bis 1999 hieß die Stadt offiziell nur Nowgorod, auch Novgorod geschrieben (russisch Новгород). Weliki Nowgorod bedeutet wörtlich Großes Nowgorod („groß“ im Sinne von „bedeutend“). Frühere Namen (als Exonyme) waren deutsch Navgard, Naugard, Neugarten, Neugard und altnordisch Hólmgarðr.
Als eine der ältesten Städte Russlands feierte Weliki Nowgorod im September 2009 sein 1150-jähriges Bestehen. Im 9. Jahrhundert war Nowgorod die erste Hauptstadt der jungen Kiewer Rus. Vom 12. bis 15. Jahrhundert war Nowgorod Hauptstadt der einflussreichen, auf Handel ausgerichteten Republik Nowgorod und bedeutender Mittler zwischen der Rus und dem Abendland, bevor es Teil des zentralisierten russischen Reichs wurde. Nowgorods architektonisches Erbe ist seit 1992 UNESCO-Weltkulturerbe. Nach einer Erhebung aus dem Jahr 2010 zählt Weliki Nowgorod zu den lebenswertesten Städten Russlands.
Die Umgebung von Nowgorod ist von vielen Wäldern, Seen, Sumpf- und Marschland geprägt, die das Gebiet nahezu undurchdringlich und die Flüsse zu den wichtigsten Verkehrswegen machten. Entlang der Ufer der Flüsse und Seen lagen die einzigen für eine Besiedlung geeigneten Flächen.[1]:14
In Rurikowo Gorodischtsche bei Nowgorod gab es eine jungsteinzeitliche Siedlung seit dem 3. Jahrtausend v. Chr. Die ersten Siedler im Gebiet um und nördlich des Ilmensees waren finno-ugrische Jäger und Fischer sowie der Slawenstamm der Slowenen (Ilmenslawen).[2][1]:16f Ackerbau der Slowenen in dieser Region ist im 8. oder frühen 9. Jahrhundert belegt.[3]:10
Nowgoroder RusSkandinavische Waräger fuhren auf den Handelswegen ins Byzantinische Reich seit dem 8. Jahrhundert auch durch dieses Gebiet. Mitte des 9. Jahrhunderts entstand auf der östlichen Uferseite des Wolchow am Ausgang des Ilmensees, zwei Kilometer südlich des heutigen Nowgorod eine ihrer Siedlungen, das jetzige Rurikowo Gorodischtsche.[4] Diese Siedlung entwickelte sich zunächst zum zentralen Handelsplatz der Region.[5]
Für 862 wurde die Siedlung in altrussischen Chroniken erstmals erwähnt.[6][7] Der Warägerfürst Rjurik errichtete hier das Zentrum seiner Herrschaft.
Nowgorod in der Kiewer Rus Ostromir-Evangeliar in der Abschrift von 1056/57 Nowgoroder Ikone des Erzengels Gabriel, 12. Jh.Um 911 wurde Kiew das neue Zentrum der Rus. Alt-Nowgorod verlor diese Funktion. Um 969 wurde Wladimir I. der erste separate Fürst von Nowgorod. 988/989 wurde Nowgorod Sitz der zweiten Eparchie (Bistum) der Rus.[8] Erster Bischof war Joachim Korsunianin.
Ungefähr zu dieser Zeit entstand das heutige Nowgorod (Neustadt) als Kaufleutesiedlung in einiger Entfernung zur alten Burg Rurikowo Gorodischtsche.[9][10] Als erste Kirchen entstanden wahrscheinlich die hölzernen Sophienkirche und die Joachim-und-Anna-Kirche.
Jaroslaw der Weise war seit etwa 988 Fürst von Nowgorod. 1015 strebte er nach dem Tode seines Vaters Wladimir I. die Kontrolle über Kiew an. Da ihn die Nowgoroder bei diesem erfolgreichen Unternehmen unterstützten, gab er ihnen umfangreiche Rechte, welche die Basis für die künftige Bojarenordnung in Nowgorod bildeten. Diese Privilegien führten zu einer strukturellen Teilung der Stadt. Die Höfe der Bojaren unterstanden nun nicht mehr der Gerichtsbarkeit des Fürsten und bildeten die Grundlage für die fünf Stadtviertel (конец, Ende). Zwischen diesen Vierteln siedelten freie Künstler und Händler, die weiterhin der Jurisdiktion des Fürsten unterstanden. Diese Bereiche wurden in Hundertschaften (sotni) unterteilt und von sogenannten „Tausendschaftsführern“ (tysjazkie) und „Hundertschaftsführern“ (sotskie) verwaltet.[11]
Im Jahre 1030 ordnete Jaroslaw bei einem Besuch an, dass 300 Kinder der Älteren und Priester im Lesen unterwiesen werden sollten.
Um 1030 wurde wahrscheinlich auch der Sitz des Fürsten von Gorodischtsche in den Kreml von Nowgorod verlegt.[11]
Die soziale Struktur bestand aus drei Schichten: Reiche Kaufleute und Bankiers (gleichzeitig Grundbesitzer) standen an der Spitze; gewöhnliche Kaufleute waren Vertreter der mittleren Schicht; Handwerker und Tagelöhner gehörten der unteren Bevölkerungsschicht an.
Neben dem Handel blühte auch die Kultur. So wirkten berühmte Ikonenmaler wie Theophanes der Grieche und Andrei Rubljow in der Stadt. 1056/1057 wurde das Ostromir-Evangeliar für den Nowgoroder Statthalter Ostromir angefertigt.
Nowgorod war im Hochmittelalter neben Konstantinopel die einzige Stadt in Europa, in der nicht nur der Adel und der Klerus, sondern auch das einfache Volk lesen und schreiben konnte. Das bezeugen heute unter anderem die über 1000 bei archäologischen Ausgrabungen gefundenen, auf Birkenrinde in einem Altnowgoroder Dialekt geschriebenen Briefe (sogenannte Birkenrindenurkunden). Diese berichten vom Alltag in der mittelalterlichen Stadt. Am 26. Juli 1951 wurden bei Grabungen von Nina Akulowa in der Welikaja Straße die ersten Birkenrindenfragmente entdeckt.[12] Mittlerweile sind mehr als tausend Birkenrindenfragmente bekannt.[13]
Die Bindung der norwegischen Herrscher an die Stadt lässt sich auch daran erkennen, dass sie Nowgorod mehrfach als Zufluchtsort nutzten. So floh vor 1000 Olav I. Tryggvason dorthin, von 1027 bis 1030 Olav II. Haraldsson. Dessen Sohn Magnus I. wurde bis 1035 in Nowgorod erzogen und nach der Ermordung seines Vaters von norwegischen Adligen zurückgeholt. Auch Harald III. suchte in Nowgorod Zuflucht, wenn Gefahr drohte. Olav I. Tryggvason und Magnus I. verbrachten hier ihre Kindheit und Jugend und hatten zeitlebens eine enge Verbindung zu der Stadt.
Republik Nowgorod von 1136 bis 1478 Schlachtendarstellung zwischen Nowgorod und Susdal im Jahre 1170, Fragment einer Ikone von 1460 Nowgorod (rosa) mit seinem Herrschaftsbereich im 13. JahrhundertIm Jahre 1136 endete ein allgemeiner Aufstand gegen den Fürsten mit einem Sieg der Bojaren. In der Folge war der Fürst nur noch ein Beamter der Bojarenrepublik. Seine Funktion als Richter konnte er nur noch wahrnehmen, wenn sein Urteil vom Possadnik, dem Oberhaupt des Bojarenrates, bestätigt wurde, der zunehmend die Außenpolitik leitete und Recht sprach, das Heer führte und die Ämter besetzte und damit die Rolle des Fürsten einnahm. Als direkte Folge des Aufstandes wurde Fürst Wsewolod II. ausgewiesen und Swjatoslaw Olegowitsch aus Tschernigow eingesetzt.[11][14] Das zweite wichtige Amt führte der Tysjackiy, der Tausendschaftsführer, der das Volksaufgebot führte und für Steuern, Abgaben und für den Markt verantwortlich war. Das 1035 entstandene Bistum stieg 1165 zum Erzbistum auf.
Von den Verwüstungen der Mongolenüberfälle verschont, war Nowgorod zeitweise, vor allem unter Alexander Newski, das Zentrum der Russischen Fürstentümer und der Sitz des Großfürsten. Angefangen mit Alexander Newski wurden die Nowgoroder Fürsten aus den Reihen der Fürsten von Wladimir-Susdal gewählt. Die Stadt wurde zu einem der größten Stadtstaaten und entwickelte ein Territorium von rund 30.000 km² Ausdehnung, weitere etwa 1,5 Millionen km² bis zum Ural standen in einem tributären Verhältnis. Im 14. Jahrhundert begann man den älteren Namensteil weliki als groß zu deuten, um Groß-Nowgorod von anderen Städten abzusetzen. Das Stadtgebiet umfasste im 14. Jahrhundert rund 400 ha, allein die Stadtburg (detinec) 11 ha. Die Einwohnerzahl stieg von etwa 50.000–60.000 im 13. Jahrhundert auf bis zu 80.000 im 15. Jahrhundert.[15] Damit überstieg ihre Einwohnerzahl die Größenordnung der bedeutendsten deutschen Städte wie Köln, Nürnberg oder Lübeck.[16]
Die auf dieser Entwicklung basierende Machtausdehnung ermöglichte es der Stadt, im Jahre 1240 die Expansion der Schweden und 1242 die des Deutschen Ordens militärisch abzuwehren. Insgesamt zog Nowgorod 26 Mal gegen Schweden und 11 Mal gegen den livländischen Schwertbrüderorden in den Krieg. Die Abwehr in den Jahren 1240 und 1242 gelang, obwohl Nowgorods deutsche Gegner, unter Ausnutzung der mongolischen Invasion in Russland, zusammen mit Dänen und Schweden ihre militärischen Operationen auf das Gebiet Nowgorods verlagerten. Ihre Feldzüge scheiterten jedoch in der Schlacht an der Newa und in der Schlacht auf dem Peipussee. Am 12. August 1323 wurde der Vertrag von Nöteborg zwischen Schweden und Nowgorod unterzeichnet, der zum ersten Mal den Grenzverlauf zwischen dem russischen und dem schwedischen Teil Finnlands regulierte.
Im Spätmittelalter war Nowgorod eine von der adligen Kaufmannsschicht beherrschte Stadt, die sich überwiegend aus den großen Landbesitzern rekrutierte und in hohem Maße vom Eintreiben der Tribute profitierte. Zu ihnen gesellte sich eine Schicht von hauptberuflichen Fernhändlern, die vor allem im Westhandel tätig waren. Ein Gegengewicht bildete ein Wetsche – eine auf altslawische Traditionen zurückgehende Volksversammlung –, in dem auch nichtadlige Bevölkerungsgruppen rede- und stimmberechtigt waren. Die oligarchische[17] Stadtrepublik, die seit dem 12. Jahrhundert den Fürsten, ab 1156 den Erzbischof und die Possadniks, eine Art Bürgermeister der Stadt, wählte, hatte dabei gute Kontakte zur Hanse, die dort im Peterhof eines ihrer vier Kontore unterhielt.
Nowgorod hatte sich im 14. Jahrhundert endgültig zum Haupthandelsvermittler mit dem Westen aufgeschwungen. Da der Transithandel der russischen Länder und auch der Tataren, die mit Gewürzen und Pelzen handelten, mit Westeuropa über das litauische Hoheitsgebiet durch hohe Zölle und häufige Übergriffe beeinträchtigt wurde, blieb diese Stellung in der Folgezeit unangefochten.
Handel mit Gotländern und Hanse Nowgorod im HansehandelBereits im 10. Jahrhundert sind Kontakte ausländischer Händler mit Nowgorod belegt. So trägt der in der Färingersaga erwähnte Ravnur Hólmgarðsfari aus dem norwegischen Tønsberg die nordische Bezeichnung für Nowgorod bereits im Namen, der also Nowgorodfahrer bedeutet.[18]
Nach der Gründung Lübecks begannen die hansischen Kaufleute in der Mitte des 12. Jahrhunderts über die Ostsee nach Gotland zu fahren. Über die dortigen Kaufleute wurden die ersten Kontakte nach Nowgorod vermittelt. Die Kaufleute aus Gotland unterhielten auf der Handelsseite den sogenannten Gotenhof, an dessen Nutzung sich die hansischen Kaufleute zunächst beteiligten. Daneben gab es noch einen Gildehof der Gotländer.[19] Im Jahre 1192 errichtete die Hanse einen eigenen Hof, den sogenannten Peterhof. Der Name des Kontors geht auf die in ihm errichtete St.-Peter-Kirche zurück. Der Hof enthielt neben Wohnhäusern auch Wirtschaftseinrichtungen wie Bäckerei, Brauhaus, Krankenstube, Bad und Gefängnis. Die hansischen Kaufleute hatten auf dem Hof eigene Rechtshoheit, mussten aber auch selbst für rechtliche Ordnungsmaßnahmen sorgen. Die Kaufleute hatten nach der Nowgoroder Schra jedoch nicht das Recht, sich dauerhaft in Nowgorod aufzuhalten. Nach den Jahreszeiten unterschied man Winter- und Sommerfahrer. Die Händler transportierten überwiegend Rohprodukte nach Westeuropa, insbesondere Pelze, Wachs, Honig und Holz. Im Gegenzug brachten sie vor allem Fertigprodukte nach Nowgorod wie Wein, Bier, Tuch, Waffen und Glas, aber auch Salz, Hering, Metall (Silber), Gewürze, Südfrüchte, Pferde und Bernstein. Als 1230 in Wolchow eine große Hungersnot ausbrach, transportierten sie überwiegend Getreide. Mit dem Niedergang des gotländischen Olafshofes im 14. Jahrhundert, der in der Folge von der Hanse gepachtet wurde, gewann die Hanse eine Monopolstellung im Handel mit Nowgorod. Auch der Schiffstyp der Kogge trug zur Stärkung dieses Monopols bei. Zwischen 1396 und 1462 lässt sich der Import von Glasprodukten wie Fingerringe und Fensterglas archäologisch belegen. Im 15. Jahrhundert ging der Handel langsam zurück, da der Warenumtausch immer stärker auf die livländischen Städte verlegt wurde.[20] Der Peterhof in Nowgorod wurde nach der Eroberung der Stadt durch den Moskauer Großfürsten Iwan III. 1478 nicht geschlossen. Im Gegenteil, die Vorrechte der Hanse wurden 1487 erneut bestätigt. Im Zuge seiner Streitigkeiten mit Maximilian von Habsburg ließ Iwan III. den Hof aber am 6. November 1494 schließen. Die Beschlagnahmung brachte dem Großfürsten 96.000 Mark ein.[21] 1514 wurden der Gotenhof und der Peterhof wieder eröffnet und noch bis 1560 scheinen die Höfe genutzt worden zu sein. Im 17. Jahrhundert wurde der Schwedenhof an der Slawnaja-Straße nordöstlich vom alten Platz errichtet.[22]
Münzwesen und Fernhandel Birkenrindenfragment Nr. 202 mit Schreib- und Zeichenübungen des 7-jährigen Jungen Onfim[23] (13. Jahrhundert)Die Stadt Nowgorod war, aufgrund ihrer starken Handelsbeziehungen zu ausländischen Kaufleuten, Ausgangspunkt der Entwicklung des Münzwesens in Russland. Seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts wurde es üblich, Silberbarren als Währungseinheit zu verwenden. Das Gewicht dieser Stangenbarren betrug 205 Gramm, entsprechend der alten russischen Gewichtseinheit Griwna. Bei kleineren Handelsgeschäften wurden von den größeren Barren kleinere Silberstücke, sogenannte Rubel, abgetrennt. Im 13./14. Jahrhundert wurden in Nordwestrussland erstmals Münzen geprägt, anfangs in Nowgorod und Pskow, später auch in Moskau, Nischni Nowgorod und Susdal.
Als sich Anfang des 15. Jahrhunderts der Geldumlauf verstärkte und alle Großfürsten Geld zu prägen begannen, ging Nowgorod ab 1420 dazu über, eigene Münzen zu prägen. Nowgorod hatte zuvor für eine kurze Zeit die livländische Währung übernommen.[24]
Vom 10. bis zum 13. Jahrhundert gelangten aus dem byzantinischen Reich vor allem Amphoren, Glaserzeugnisse, schieferne Spinnwirtel und Walnüsse in die Stadt. Aus dem Dnepr-Gebiet wurden zudem Bernsteine, die dort in geologischen Schichten anstehen, importiert. Um 1100 erfuhr der Import eine kurze Unterbrechung, die mit einem Konflikt zwischen den Städten Kiew und Wolchow begründet werden kann. Mit der Zerstörung Kiews im Jahre 1240 durch die Mongolen verlor der Dnjepr-Weg überwiegend seine Bedeutung, wogegen über den Wolga-Weg der Import von Buchsbaumholz für die Kammherstellung fortgesetzt wurde. Insbesondere im 14. Jahrhundert gelangte über diesen Weg glasierte Keramik aus dem Tatarenchanat der Goldenen Horde nach Nowgorod.[25]
Moskauer Periode vom 15. bis 19. Jahrhundert Stadtplan aus der ersten Hälfte des 18. JahrhundertsLange Zeit stand Nowgorod in Konkurrenz zum Großfürstentum Moskau, wobei Nowgorod die oligarchisch-stadtadlige Gesellschaftsordnung repräsentierte, Moskau die autokratisch-fürstliche. Zu diesem Gegensatz kam die Bekämpfung der Nowgoroder Flusspiraterie (Uschkuiniki), die Moskau bereits 1397 veranlasste, einen Aufstand gegen die Herrschaft Nowgorods zu entfesseln. Der stetige Machtzuwachs Moskaus bedrohte zunehmend die Schaukelpolitik, die Nowgorod lange Zeit erfolgreich zwischen Moskau, Twer und Litauen praktiziert hatte, da Twer immer mehr an Bedeutung verlor und die Kräfte Litauens nach der Union mit Polen durch Auseinandersetzungen in Böhmen, Ungarn und mit dem Deutschen Orden gebunden waren. Auch gelang es Nowgorod nicht, sich von der Oberhoheit des Moskauer Metropoliten zu lösen. 1441 leistete die Stadt erstmals Tributzahlungen an Moskau.
Nach einem erfolgreichen Angriff konnte Moskau nach 1456 seinen Einfluss auf die Außen- und Innenpolitik Nowgorods verstärken. Das Wetsche durfte nicht mehr in eigenem Namen urkunden. Nach dieser Niederlage musste die Nowgoroder Bojarenoligarchie 1458 erkennen, dass Moskau in der Zwischenzeit ein eindeutiges Übergewicht erlangt hatte. Nach der Nowgoroder Niederlage in der Schlacht am Schelon (1471) und neuerlichen antimoskowitischen Strömungen folgte 1478 die endgültige Eingliederung in das Großfürstentum, wobei Moskau vorgab, ein Kirchenschisma in Russland zugunsten der litauischen Katholiken verhindern zu wollen. Zahlreiche Nowgoroder Bojaren, ihre Klientel und die Kaufleute wurden nach Moskau umgesiedelt, wo in der Nähe des Kremls ein eigenes Nowgoroder Stadtviertel entstand. Im Gegenzug übernahmen Moskauer Dienstmannen die Güter der Enteigneten. Die Abschaffung der Wetsche-Glocke symbolisierte das Ende des Nowgoroder Stadtstaats.
Während des Livländischen Krieges wurde die Stadt 1570 durch die Truppen des Zaren Iwan des Schrecklichen zerstört, nachdem dieser den Verdacht schöpfte, dass sich die Bürger Nowgorods mit Polen-Litauen zu verbünden suchten. Am 15. Januar 1582 wurde der Vertrag von Jam Zapolski (Waffenstillstand) im Dorf Jam Zapolski nahe Nowgorod zwischen Polen-Litauen und Russland geschlossen.[11] Während der Zeit der Wirren im Polnisch-Russischen Krieg 1609–1618 wurde Nowgorod zwischen 1611 und 1617 von den Schweden besetzt und zerstört. Die genannten Kriege und Ereignisse führten dazu, dass die Einwohnerzahl Nowgorods auf 8000 absank, in gleichem Maße sank auch die politische und wirtschaftliche Bedeutung.
Die Stadt erlebte danach einen Aufschwung, doch nach der Gründung von Sankt Petersburg im Jahr 1703 sank ihre wirtschaftliche und strategische Bedeutung als Russlands Vorposten im Nordwesten. Eine gravierende Veränderung erfuhr die Stadtstruktur nach 1778, als der von Nikolai Tschitscherin (Николаи Чичерин) erstellte neue Generalbebauungsplan von Kaiserin Katharina II. unterschrieben wurde. Während die halbrunde Stadtmauer auf der Sophienseite erhalten wurde, sah der Plan ansonsten rechtwinklige Straßenzüge vor. Dafür wurden die über Jahrhunderte gewachsenen Straßenstrukturen zerstört.[26]
1859 gewann der Entwurf von Michail Ossipowitsch Mikeschin (1835–1896) den von der Öffentlichkeit mit großem Interesse verfolgten Wettbewerb für das Nowgoroder Denkmal Tausend Jahre Russland.
Sowjetunion, Zweiter Weltkrieg Russische Briefmarke zum 1150-jährigen Stadtjubiläum 2009In der Sowjetunion gehörte Nowgorod zum Leningrader Gebiet, zu dem die Rayons bzw. Kreise Murmansk, Pskow und Tscherepowez zählten. Zwar hatten sich die Nowgoroder Ende 1918 der Rats-(Sowjet)-Bewegung in Russland angeschlossen, doch neigten sie eher den gemäßigten sozialistischen Parteien zu.[27]
Im Deutsch-Sowjetischen Krieg (1941–1945) war Nowgorod vom 15. August 1941 bis zum 20. Januar 1944 unter deutscher Besatzung und erlitt dadurch große Schäden. Unter anderem vernichtete Bolko von Richthofen im Auftrag des Auswärtigen Amtes während des Russlandfeldzuges die Bibliothek der Nowgoroder Altertums-Gesellschaft und das Museum in Staraja Russa.[28] Auf Bitten der Wehrmacht befahl Heinrich Himmler am 4. Oktober 1941, das Sonderkommando Lange mit dem Flugzeug nach Nowgorod zu holen, um dort die Insassen dreier Anstalten für psychiatrische Patienten umzubringen. Die Räumlichkeiten wurden für die Unterbringung von Truppen benötigt.[29] Nach der Befreiung im Zuge der Leningrad-Nowgoroder Operation wurde bereits zu Anfang des Jahres 1944 mit dem Wiederaufbau der Stadt begonnen. Am 5. Juli 1944 wurde die Oblast Nowgorod gegründet.
Jüngste Geschichte1999 erhielt die Stadt ihren historischen Namen Weliki Nowgorod zurück. Am 13. Juli 2000 wurde bei Ausgrabungen der sogenannte Nowgoroder Kodex entdeckt, ein Wachstafelbuch aus dem ersten Viertel des 11. Jahrhunderts, das aus drei gebundenen Lindenholzplatten mit insgesamt vier mit Wachs ausgefüllten Seiten besteht. Im September 2004 fand in Weliki Nowgorod das erste Treffen des Waldai-Klubs statt, einer jährlichen Diskussionsrunde von Experten der Außen- und Innenpolitik Russlands. Teilnehmer war auch Wladimir Putin. Am 28. Oktober 2008 erhielt Weliki Nowgorod die Auszeichnung „Ruhmreiche Kampfstadt“ von Präsident Dmitri Medwedew für die „Courage, Ausdauer und Massenheldentum bei der Verteidigung der Stadt im Kampf um Freiheit und Unabhängigkeit des Vaterlandes“.[30] Im Jahr 2009 wurde in der Stadt das 1150-jährige Jubiläum der ersten schriftlichen Erwähnung gefeiert. Vom 18. bis 21. Juni 2009 fanden in Nowgorod die XXIX. Internationalen Hansetage Neuer Zeit statt.[31]
Bevölkerungsentwicklung und -strukturDie Einwohnerzahl Weliki Nowgorods lag 2010 bei 218.717 Einwohnern, womit die Stadt Platz 86 unter den größten Städten Russlands belegt. Die höchste Bevölkerungszahl seiner Geschichte mit über 229.116 Einwohnern erreichte Nowgorod Anfang der 1990er-Jahre, in den nachfolgenden Jahren schrumpfte die Zahl erheblich, wie es in den meisten Städten Russlands während der Wirtschaftskrisen der 1990er-Jahre der Fall war. Die folgende Tabelle zeigt die Entwicklung der Einwohnerzahl der Stadt Nowgorod seit etwa 1825 an. Von 1959 bis 1979 hat sich die Einwohnerzahl mehr als verdreifacht. Ein signifikanter Bevölkerungsrückgang ist hingegen in den Jahren des Zweiten Weltkrieges zu verzeichnen.[32]
Jahr Einwohner 1825 5.445 1833 8.634 1840 16.781 1856 12.758 1863 17.665 1867 16.722 Jahr Einwohner 1870 17.093 1885 23.980 1898 25.736 1910 23.841 1917 28.807 1920 24.831 Jahr Einwohner 1923 27.709 1926 32.764 1937 37.059 1939 39.758 1944 53.456[33]1959 60.669 Jahr Einwohner 1970 127.944 1979 186.003 1989 229.126 2002 216.859 2007 216.700 2010 218.717 Jahr Einwohner 2011 218.700 2012 219.947 2013 219.925 2014 219.971 2015 221.954 2016 221.868Die Darstellung von Grafiken ist aktuell auf Grund eines Sicherheitsproblems deaktiviert.
↑ a b Evgenij N. Nosov: Ein Herrschaftsgebiet entsteht. Die Vorgeschichte der nördlichen Rus’ und Novgorods. In Michael Müller-Wille (Hrsg.): Novgorod. Das mittelalterliche Zentrum und sein Umland im Norden Russlands. Neumünster 2001, S. 13–74 ↑ Wilhelm Streitberg: Slavisch-Litauisch, Albanisch. Karl J. Trübner, 1917, ISBN 3-11-144680-8, S. 42. ↑ Erich Donnert: Das altostslavische Großreich Kiev. Gesellschaft, Staat, Kultur, Kunst und Literatur vom 9. Jahrhundert bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts. 3. Auflage. Berlin u. a. 2012 (Erstausgabe: 1985). ↑ Evgenij N. Nosov: Ein Herrschaftsgebiet entsteht. Die Vorgeschichte der nördlichen Rus' und Novgorods. In: Michael Müller-Wille (Hrsg.): Novgorod. Das mittelalterliche Zentrum und sein Umland im Norden Russlands. Neumünster 2001, S. 13–74, hier S. 54–70. Siehe auch Rolf Hammel-Kiesow: Nowgorod und Lübeck. Siedlungsgefüge zweier Handelsstädte im Vergleich. In: Norbert Angermann, Klaus Friedland (Hrsg.): Novgorod. Markt und Kontor der Hanse. Köln u. a. 2002, S. 25–68, hier S. 30–33. ↑ Evgenij N. Nosov: Ein Herrschaftsgebiet entsteht. Die Vorgeschichte der nördlichen Rus' und Novgorods. In: Michael Müller-Wille (Hrsg.): Novgorod. Das mittelalterliche Zentrum und sein Umland im Norden Russlands. Neumünster 2001, S. 13–74, hier S. 54. ↑ Erste Nowgoroder Chronik, Nestorchronik, für 859 die späte Sophienchronik ↑ Dass es sich dabei um Rurikowo Gorodischtsche und nicht um das spätere eigentliche Nowgorod handelte, ist auf Grund der archäologischen Funde heute unbestritten, vgl. Evgenij N. Nosov: Ein Herrschaftsgebiet entsteht. Die Vorgeschichte der nördlichen Rus' und Novgorods. In Michael Müller-Wille (Hrsg.): Novgorod. Das mittelalterliche Zentrum und sein Umland im Norden Russlands. Neumünster 2001, hier S. 67, aber auch T. N. Jackson; A. A. Molchanov: The old Scandinavian name of Novgorod in the toponymy of the way „from the Varangians to the Greeks“. In: Vspomogatel'nye istoriceskie discipliny 21 (1990), S. 226–237. (russisch) ↑ Archäologische Befunde bezeugen die Entstehung eines christlichen Viertels in der Burgstadt in dieser Zeit. ↑ Valentin L. Janin: Ein mittelalterliches Zentrum im Norden der Rus’. Die Ausgrabungen in Novgorod. In: Michael Müller-Wille (Hrsg.): Novgorod. Das mittelalterliche Zentrum und sein Umland im Norden Russlands. Neumünster 2001, S. 75–98, hier S. 83. ↑ Rolf Hammel-Kiesow: Nowgorod und Lübeck. Siedlungsgefüge zweier Handelsstädte im Vergleich. In: Norbert Angermann, Klaus Friedland (Hrsg.): Novgorod. Markt und Kontor der Hanse. Köln u. a. 2002, S. 25–68, hier S. 33. ↑ a b c d Valentin Lavrent’evič Janin: Medieval Novgorod. In: The Cambridge History of Russia. Bd. 1: From Early Rus’ to 1689. Bearbeitet von Maureen Perrie. Cambridge 2006, ISBN 978-0-521-81227-6, S. 188–212. (englisch) ↑ Datenbank der Birkenrindenfragmente (russisch) ↑ 999 Birchbark Manuscripts Discovered in Novgorod (englisch) ↑ Michael C. Paul: Was the Prince of Novgorod a 'Third-rate bureaucrat' after 1136? In: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas 56 (2008), H. 1, S. 72–113. ↑ A. Poppe: Novgorod. In: Lexikon des Mittelalters, Sp. 1306. ↑ Goehrke/Hellman/Lorenz/Scheibert: Weltgeschichte Russland. Band 31, Augsburg 1998, ISBN 3-596-60031-6, S. 107, sind hingegen der Ansicht, die Stadt habe nur 30.000 Einwohner gehabt, was sie aber immer noch zu einer der größten in Nordeuropa macht. ↑ So etwa Hans-Joachim Torke: Einführung in die Geschichte Russlands. München: Beck 1997, S. 43. ↑ Gottlieb Christian Friedrich Mohnike (Übers.): Faereyinga Saga oder Geschichte der Bewohner der Färöer: im isländischen Grundtext mit färöischer, dänischer und deutscher Übersetzung. Kopenhagen 1833. ↑ L. K. Goetz: Deutsch-russische Handelsverträge des Mittelalters. 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Oktober 2010 im Internet Archive) ↑ Oskar Annweiler: Die Ratsbewegung in Russland 1905–1921. Leiden, Brill 1958, S. 230. ↑ Gerhard Ziegengeist: Wissenschaft am Scheidewege. Kritische Beiträge über Slawistik, Literaturwissenschaft und Ostforschung in Westdeutschland. Akademie-Verlag 1964, S. 34. ↑ Peter Longerich: Heinrich Himmler: Biographie. München 2008, ISBN 978-3-88680-859-5, S. 555. ↑ President of Russia. Ukaz #1533 of 28 October 2008 On the assignment to Veliky Novgorod of the Honorary title of the Russian Federation „City of Military Glory“ (russisch) ↑ Programm für die Feierlichkeiten der XXIX. Hansetage Neuer Zeit (Memento vom 22. Dezember 2009 im Internet Archive) ↑ Einwohnerzahlen Nowgorod ↑ Die Quelle lautet nach ru-Wiki: ЦГА СПб., ф. 1684, оп. 4, д. 177, л. 114.
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