Staroměstský orloj

( Prager Rathausuhr )

Die Prager Rathausuhr, auch Aposteluhr oder Altstädter Astronomische Uhr, tschechisch Pražský orloj oder Staroměstský orloj (aus lateinisch horologium ‚Uhr‘), ist eine weltweit bekannte astronomische Uhr aus dem Jahr 1410, die sich in Prag an der Südmauer des Altstädter Rathauses befindet. Sie ist ein Meisterwerk gotischer Wissenschaft und Technik und ein wertvolles Kulturdenkmal.

Die Prager astronomische Uhr ist heute eine der Hauptsehenswürdigkeiten der tschechischen Hauptstadt. Sie wurde nicht in einem Stück gebaut, sondern wuchs im Laufe der Jahrhunderte. Zusammen mit dem Altstädter Rathaus ist die astronomische Uhr ein nationales Kulturdenkmal und bildet einen unentbehrlichen Bestandteil des alten Prag.[1]

Baugeschichte

König Johann von Böhmen gestattete im Jahr 1338 den Bürgern der alten Stadt Prag die Errichtung eines Rathauses, das diese aus der Weinsteuer finanzierten. Der fast 70 m hohe Turm wurde 1364 fertiggestellt und bis ins 19. Jh. erweitert und umgebaut.

 Jan Táborský im 70. Lebensjahr
(Selbstbildnis)

Bis zum 20. Jahrhundert wurde angenommen, dass die im Turm eingebaute Uhr im Jahre 1490 von einem Uhrmacher namens Jan Růže alias Meister Hanuš und seinem Gehilfen Jakob Zech gebaut wurde. Diese Information geht auf den Mechanikus Jan Táborský z Klokotské Hory zurück, der ab 1552 eine umfangreiche Reparatur an der Uhr durchführte und Meister Hanuš in seinem Rechenschaftsbericht Beschreibung der Prager Turmuhr im Jahr 1570 erwähnte. Inzwischen konnte dieser Irrtum berichtigt werden. Jan Růže und Jakub Čech waren erst später am Umbau der Uhr beteiligt, nicht am Anfang als die eigentlichen Uhrkonstrukteure.

Einer der ältesten Teile der Uhr ist das mechanische Uhrwerk mit dem astronomischen Zifferblatt. Das Uhrwerk wurde im Jahr 1410 von Uhrmacher Nikolaus von Kaaden nach den Plänen von Johannes Schindel gebaut, der ab 1409 als Professor für Mathematik und Astronomie an der Karls-Universität Prag tätig war. Die Steinmetzarbeiten und Skulpturen um das astronomische Zifferblatt stammen aus der 1419 geschlossenen Werkstatt von Peter Parler.

Erst in einer zweiten Phase, etwa 1490, kam unterhalb des astronomischen Zifferblattes ein Kalender hinzu, offenbar eine Arbeit der bereits erwähnten Uhrmacher Jan Růže und Jakob Zech. Die gesamte Uhrenfassade wurde mit markanten Skulpturen im Stil der Vladislav-Gotik (die böhmische Version der gothique flamboyant) reich verziert. Die Reste der Parlerschen Skulpturen dicht um das astronomische Zifferblatt blieben jedoch erhalten.

Im Jahr 1551 wurde Jan Táborský z Klokotské Hory von dem Prager Stadtrat für die Wartung und Wiederherstellung des Werkes der Rathausuhr berufen. Er hat den Kalendarium-Antrieb und die halbe Stunde eingeführt. Außerdem installierte er zwei Sonnenuhren auf beiden Seiten des Zifferblattes, um die Uhr auch mechanisch unabhängig stellen zu können.

Bedeutsam ist auch der Umstand, dass die Prager Uhr noch in dieser Zeit ausschließlich astronomische Daten anzeigte. Dies hatte bereits Táborský in seinem Bericht unterstrichen. Er lobte ausdrücklich,

„dass auf der Uhr sich keine überflüssigen mechanischen Figuren zur Belustigung des Fußvolkes befänden, sondern nur die reine astronomische Kunst vertreten sei.“[2]

Erst im 17. Jahrhundert wurde die Uhr beiderseits der Zifferblätter durch Figuren (Automaten) ergänzt. Der Zeitpunkt, zu dem die in den beiden Fensterchen oberhalb des astronomischen Zifferblattes ausgestellten astrologischen Tabellen gegen die Figuren der 12 Apostel ausgetauscht wurden, ist nicht eindeutig bekannt. Historisch belegt ist die Existenz der Apostel erst seit 1860. Die Figur des Hahnes kam 1882 hinzu.

Die elektrischen Aufzüge für die Uhr wurden erst 1957 eingebaut.

Die astronomische Uhr von Prag ist an ihrer ursprünglichen Stätte bereits 600 Jahre in Betrieb.

Reparaturen

Im Laufe der Jahrhunderte blieb die Uhr viele Male stehen und musste umfassend repariert werden.

 Rathausuhr um 1791Die erste Rettung der Uhr

1760 war die Uhr in einem sehr schlechten Zustand, oft defekt und längere Zeiten außer Betrieb. Der damalige Magistrat lehnte alle Vorschläge und Hilfeangebote des Paters Johannes Klein aus der Sternwarte im Clementinum ab. Die Situation spitzte sich zu. Im Jahr 1787 war die Uhr in einem so kritischen Zustand, dass der Prager Magistrat sie als Schrott verkaufen wollte. Ein tschechischer Patriot und Professor an der Karls-Universität (Antonín Strnad) machte sich um die Rettung der Uhr verdient. Er erkannte ihren historischen Wert und versuchte die Ratsherren für die Reparatur zu gewinnen. Nach längeren Bemühungen gelang es ihm, zunächst den Magistratsvorsitzenden und schließlich den ganzen Magistrat zu überzeugen, den benötigten Betrag für die Reparatur zu genehmigen. Unter der Leitung Strnads wurde die Reparatur in den Jahren 1787 bis 1791 vom Uhrmacher Šimon Landsperger, dem Staffierer Václav Obmauer und dem Bildhauer Anton Schuhmann durchgeführt.[3] Trotz aller Reparaturen und weiterer Anstrengungen lief die Uhr mangelhaft. Erst nach der Großen Reparatur im Jahr 1866 gelang es, die Uhr wieder in Dauerbetrieb zu nehmen.

Die Große Reparatur

1866 erfolgte eine der umfangreichsten Reparaturen in der Geschichte der Uhr.[4] Der ursprüngliche Gangregler (Foliot) wurde durch eine separate Präzisionspendeluhr ersetzt, die dem alten Uhrwerk jede Minute einen Impuls gibt. Sowohl der Antrieb der Kalenderscheibe als auch derjenige der böhmischen Stunde wurden umkonstruiert. Die von Táborský installierten Sonnenuhren wurden entfernt. Stattdessen kamen zwei neue, beleuchtete Zifferblätter mit römischen Zahlen an die Seitenwände des Vorbaus. Bei der Restaurierung des astronomischen Zifferblattes ist aber ein Fehler unterlaufen: Der runde Tierkreiszeiger wurde fälschlicherweise ca. 20 cm im Durchmesser kleiner gemacht. Um diesen Fehler auf die Schnelle zu beheben, bekam der Tierkreiszeiger einen zweiten goldenen Reif, der mit 72 Stäben mit dem Tierkreis vernietet wurde. Somit erhielt die Uhr ihr weltweit einzigartiges Aussehen. Für die Änderung der Gestänge des Sonnen- und Mondlaufs auf der Ekliptik blieb leider keine Zeit, und so laufen beide bis heute auf dem kleineren Kreis.[5]

Bei den Reparaturen wurde auch eine neu überarbeitete Kalenderscheibe installiert, die ein Werk des Malers Josef Mánes ist. Die Scheibe stellt den Medaillonzyklus der zwölf Monate und zwölf Tierkreise dar. Als unmittelbare Vorlage für die Darstellung der jahreszeitlichen Arbeiten in den Medaillons dienten Josef Mánes die Miniaturen im handschriftlichen Brevier des Prager Kreuzherrengroßmeisters Löw aus dem Jahr 1356. Heute ist das Original im Stadtmuseum von Prag deponiert, und eine vom Maler Bohumír Číla angefertigte Kopie schmückt an ihrer Stelle die Uhr.

Die zweite Rettung der Uhr

Während des Prager Aufstands, in den letzten drei Tagen des Zweiten Weltkrieges schossen die letzten deutschen Panzer vom Prager Hügel Letná den neugotischen Ost- und Nordflügel des Rathauses in Brand, wobei auch das Stadtarchiv zerstört wurde – bis heute eine empfindliche Baulücke vor der St.-Nikolaus-Kirche. Die Astronomische Uhr wurde sowohl durch direkten Beschuss als auch durch das ausgebrochene Feuer schwer beschädigt. Viele gaben die Hoffnung auf, das Uhrwerk könnte noch restauriert werden. Es gab sogar Stimmen, es durch ein völlig neues, mit modernen Zeigern versehenes zu ersetzen. Die Figuren sollten das zeitgenössische Leben symbolisieren. Dennoch gelang es, das historische Werk zu restaurieren, was zu der Entscheidung führte, die astronomische Uhr insgesamt in ihrer ursprünglichen Gestalt wiederherzustellen. Die Apostel, die heute zu sehen sind, wurden vom Bildhauer Vojtěch Sucharda erst 1948 gefertigt. Nur zwei der ursprünglichen Figuren haben im Prager Stadtmuseum überlebt. Zum 1. Juli 1948 konnte die Originaluhrmechanik nach aufwendigen Reparatur- und Restaurierungsarbeiten wieder ihrer Bestimmung übergeben werden.

Chronologie  Stich aus dem Jahr 1837 Foto vor der Großen Reparatur um 1860 Ausgestellte Werke nach der Restaurierung 1866. Vorne restauriertes Hauptwerk, hinten von Romuald Božek fertiggestelltes MinutenwerkJahr Art der Arbeiten Ausführende 1338 Rathausbau 1410 Entstehungszeit
Astrolabium, Uhrwerk Johannes Schindel
Nikolaus von Kaaden 1490 Rathausumbau
Kalendarium, Antrieb der Böhmischen Stunde Jan Růže (Meister Hanuš)
Jakob Zech 1566 Verbesserungen
Kalendarium-Antrieb, die halbe Stunde, Sonnenuhren Jan Táborský z Klokotské Hory 1629 Reparatur unbekannt 1659 Umbau
Schlagwerk mit Glocke, Figuren beiderseits der Zifferblätter unbekannt 1787 Reparatur
„Rettung vor dem Verschrotten“ Antonín Strnad
Simon Landsperger
Wenzel Obmauer
Anton Schuhmann 1866 „Großer Umbau“
Spindelgang mit Waag entfernt, Chronometer, Außenuhren, Apostelantrieb, Antrieb der Böhmischen Stunde, Veränderung des Zodiakus, Kalenderscheibe neu gestaltet, Mondumlaufkorrekturgetriebe, Sonnenuhren entfernt Romuald Božek
Ludwig Hainz
Čeněk Daněk
Josef Mánes 1882 Reparatur, Ergänzung
Klangskulptur Hahn Ludwig Hainz 1930 Reparatur, Restaurierung der Figuren 1945 schwere Kriegsbeschädigung 1946 Umfangreiche Reparatur nach der Kriegsbeschädigung Jindřich Vesecký
Rudolf Vesecký
Josef Valášek
Josef Frič 1957 Umbau[6]
Antrieb der Böhmischen Stunde, Aufzüge elektrisch E. Procházka
Miroslav Krajník
Josef Valášek 1963 Reparatur Jindřich Vesecký
Rudolf Vesecký
Josef Valášek 1979 Reparatur
Korrektur der astronomischen Nacht auf dem Zifferblatt Zdeněk Horský
Josef Valášek 1993 Reparatur[7] Zdislav Šíma
Heisler
Josef Valášek
Otakar Zámečník 2005 Reparatur[7] Zdislav Šíma
Otakar Zámečník Alena Hadravová, Petr Hadrava: Zázemí staroměstského orloje v Pražské astronomické škole. Pokroky matematiky, fyziky a astronomie, Jahrgang 54 (2009), Nr. 4, S. 276f. Josef Teige: Jan Táborský z Klokotské Hory a jeho Zpráva o orloji Staroměstském. In: Časopis spol. přátel starožitností českých Jahrgang 9, 1901, S. 1–12 und S. 65–69. Anton Michalitschke: Die alte Rathausuhr in Prag. Deutsche Arbeit Jg. VII, Prag 1907/8, S. 681f. Joseph G. Böhm: Beschreibung der Alterthümlichen Prager Rathaus-Uhr. Abhandlungen der K. Böhm. Ges. der Wiss., V. Folge, 14. Band, Prag 1866. Zdeněk Horský: Pražský orloj. Panorama, Praha 1988, S. 88. Emanuel Procházka: Oprava Staroměstského orloje. Zprávy památkové péče, Jahrgang 18, Praha 1958, S45f. ↑ a b Jana Olivová: Rozhovor s bývalým pražským orlojníkem Otakarem Zámečníkem, Pokroky matematiky, fyziky a astronomie, Jahrgang 54 (2009), Nr. 4, S. 301f.
Fotografien von:
Ray Swi-hymn from Sijhih-Taipei, Taiwan - CC BY-SA 2.0
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