Neapel (italienisch Napoli, neapolitanisch Napule, altgriechisch Νεάπολις ‚neue Stadt‘) ist mit knapp einer Million Einwohnern die nach Mailand und Rom drittgrößte Stadt Italiens. Die Hauptstadt der Region Kampanien sowie der Metropolitanstadt Neapel ist ein wirtschaftliches und kulturelles Zentrum Süditaliens. Die Metropolregion hat bis zu 4,4 Millionen Einwohner. Viele Neapolitaner sprechen das stark vom Standarditalienischen abweichende Neapolitanisch.

Die ursprüngliche griechische Siedlung trug den Namen Neapolis („Neustadt“). Später geriet sie unter römische Herrschaft. Vom Spätmittelalter bis zum 18. Jahrhundert gehörte Neapel zu den größten Städten Europas. Seine politische Geschichte ist über weite Strecken von Fremdherrschaft geprägt, zudem war es die Hauptstadt süditalienischer Reiche.

In den inneren StadtWeiterlesen

Neapel (italienisch Napoli, neapolitanisch Napule, altgriechisch Νεάπολις ‚neue Stadt‘) ist mit knapp einer Million Einwohnern die nach Mailand und Rom drittgrößte Stadt Italiens. Die Hauptstadt der Region Kampanien sowie der Metropolitanstadt Neapel ist ein wirtschaftliches und kulturelles Zentrum Süditaliens. Die Metropolregion hat bis zu 4,4 Millionen Einwohner. Viele Neapolitaner sprechen das stark vom Standarditalienischen abweichende Neapolitanisch.

Die ursprüngliche griechische Siedlung trug den Namen Neapolis („Neustadt“). Später geriet sie unter römische Herrschaft. Vom Spätmittelalter bis zum 18. Jahrhundert gehörte Neapel zu den größten Städten Europas. Seine politische Geschichte ist über weite Strecken von Fremdherrschaft geprägt, zudem war es die Hauptstadt süditalienischer Reiche.

In den inneren Stadtteilen findet man zahlreiche historische Bauten und Kulturdenkmäler; 1995 wurde die gesamte Altstadt zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt. Das heterogene Stadtbild bietet Vorstädte mit riesigen Wohnkomplexen und weiten Flächen im Kontrast zu den engen und stark frequentierten Gassen der Altstadt. Während in den Stadtteilen westlich des Zentrums der Reichtum konzentriert ist, findet man in den inneren Bezirken und der Altstadt teilweise Überbevölkerung und ökonomisch rückständige Gebiete. Die soziale Lage der Vorstädte ist unterschiedlich, es handelt sich teils um Arbeiterviertel, teils um im Zuge des sozialen Wohnungsbaus entstandene Satellitenstädte, teils aber auch um ländliche Gebiete. Ein großes Problem ist die überdurchschnittlich hohe Arbeitslosigkeit.

 Etrusker, Samniten, Kampanier

Vor der Gründung Neapels durch die Griechen war die Region Kampanien von italischen Völkern besiedelt, den Oskern (auch: Kampaniern), den Samniten und den Etruskern.

Das griechische und römische Neapolis  Lage der griechischen Gründungen Parthenope (heute in San Ferdinando) und Neapolis (heute Teil der Altstadt)

Gegen 700 v. Chr. – im Zuge der griechischen Kolonisation – gründeten Griechen aus dem nahe gelegenen Kyme (Cumae) die Siedlung Parthenope im heutigen Stadtgebiet Neapels, benannt nach der Sirene Parthenope. Die Siedlung am Meer lag am Fuße des Hügels Pizzofalcone. Seit etwa 530 v. Chr. entstand im Nordosten des Hafens von Parthenope eine zweite Polis, die Parthenope bereits um 470 überflügelte. Von da an trug Parthenope auch den Namen Palaiopolis (alte Stadt). Die neue Stadt auf dem Gebiet der heutigen Altstadt erhielt den Namen Neapolis (neue Stadt). Das nach dem hippodamischen Schema angelegte und von einer Stadtmauer umgebene Neapolis zählte über Jahrhunderte zu den prosperierendsten Städten Italiens und der Magna Graecia.[1]

 Ein Gang des römischen Theaters

Die Geschichte Kampaniens im 4. Jahrhundert v. Chr. war geprägt von der Expansion des aufstrebenden Römischen Reichs, das 328 eine Art Oberhoheit über Neapolis errichten wollte. Dies lehnte Neapel jedoch ab, so dass Rom eine Armee schickte, um seine Forderungen durchzusetzen. Neapel geriet nun zwischen die Fronten der Römer und Samniten, mit denen man sich zunächst verbündete. Schließlich kam es in der von den Römern belagerten Stadt zu einem Umsturz, anschließend wurde die samnitische Garnison vertrieben, und man öffnete den Belagerern die Tore. Ein daraufhin 326 v. Chr. geschlossener Bündnisvertrag mit Rom (ein foedus aequum) machte Neapel zu einem municipium und sicherte der Stadt formal eine gewisse Unabhängigkeit und innere Autonomie zu. So blieben die Griechen auch bis weit in die römische Zeit hinein eine äußerst einflussreiche Volksgruppe, und ihre Stadt blieb etwa 250 Jahre lang ein formal unabhängiger Stadtstaat (Polis). Erst als Neapel in den Römischen Bürgerkriegen 88–82 v. Chr. auf der falschen Seite stand, wurde es dann unter Sulla als abhängige Provinzstadt auch formal dem römischen Imperium einverleibt. Noch in der frühen Kaiserzeit, als Kaiser Nero die Stadt besuchte, war Neapel allerdings eine deutlich griechisch geprägte Stadt, auch wenn die Romanisierung unaufhaltsam voranschritt. Es wird geschätzt, dass das frühe römische Neapel zwischen 16.000 und 30.000 Einwohner hatte, wobei außerhalb der Stadtmauern gelegene Häuser und Dörfer nicht mitberücksichtigt sind.[2]

Einige Überreste der griechischen wie der römischen Stadt sind noch vorhanden. Einen Teil der griechischen Stadtmauer, die in römischer Zeit verstärkt wurde, sieht man an der Piazza Bellini, Reste der Akropolis am Caponapoli im nordwestlichen Teil der Altstadt, antike Thermen im Museo dell’Opera di Santa Chiara und Reste des Römischen Theaters von Neapel in direkt darauf gebauten Häusern und Höfen des Vico Cinquesanti. Der Hauptplatz (agora bzw. forum) befand sich seit der Gründung Neapels unter der heutigen Piazza San Gaetano, dort kann man noch heute Säulen eines griechischen Tempels und mittlerweile unter der Oberfläche liegende Gebäude des römischen Marktes sehen. Der Straßenverlauf der heutigen Altstadt ist immer noch in etwa identisch mit dem der antiken Stadt. Drei parallele Hauptstraßen, darunter die Via Tribunali, durchziehen die Stadt seit ihrer Gründung von Westen nach Osten (griechisch plateiai, römisch decumani), sie werden durch zahlreiche Quergassen verbunden (stenopoi bzw. cardines). Ebenso erhalten sind die Hypogäen an der Via dei Cristallini.

Kampanien galt besonders während der römischen Antike nicht nur als landwirtschaftlich besonders produktive Region (vor allem im Getreide- und Weinbau), wovon der Ausspruch campania felix (glückliches Kampanien)[3] zeugt, sondern auch als Ort des Müßiggangs der aristokratischen Oberschicht. So lagen in der Umgebung Neapels etliche Bade- wie Thermenorte (wie Baiae, Pompeji) und nicht nur am Posillipo zahlreiche Luxusvillen.[4]

Odoaker, Ostgoten, Ostrom

476 setzte Odoaker den letzten in Italien herrschenden weströmischen Kaiser ab, übernahm faktisch die Regierung und unterstellte sich formal dem in Konstantinopel residierenden oströmischen Kaiser. Er ernannte sich zum Patricius Romanorum und wurde vom Kaiser Zenon einige Zeit als (faktisch unabhängiger) Verwalter Italiens unter oströmischer Oberherrschaft anerkannt. 493 übernahmen dann nach einem vierjährigen Krieg die Ostgoten unter Theoderich dem Großen die Herrschaft, die in Neapel bis 536 andauerte.

536 wurde das noch immer bedeutende Neapel von oströmischen Truppen nach langer Belagerung erobert. Dem Feldherrn Belisar gelang dies, indem er einige hundert Mann durch den unterirdischen Aquädukt Neapels schickte.[5] Von hier aus setzte Belisar seine Eroberung Italiens fort. Doch die Ostgoten leisteten heftigen Widerstand und ihr neuer König Totila gewann die Stadt 543 noch einmal zurück. 553 eroberte Ostrom die Stadt erneut, nachdem die Ostgoten Narses endgültig unterlegen waren. Damit endete in Italien die Spätantike.

Langobarden und Byzanz, Herzogtum Neapel  Lage des Herzogtums Neapel (Ducato di Napoli) in Kampanien

Doch bereits 568 begannen die Langobarden Italien zu erobern, 581 besetzten sie Benevent. Die verbliebenen oströmisch-byzantinischen Gebiete wurden vom Exarchat Ravenna aus geleitet und verteidigt, dem wiederum Dukate unterstellt waren. Eines dieser Dukate wurde 661 Neapel; von dort versuchte Byzanz zwei Jahre später vergebens, Benevent zu erobern. Byzanz, das sich ab 633 der arabischen Weltmacht und zugleich slawischen Invasoren auf dem Balkan gegenübersah, verlor nach und nach die Kontrolle über das spätestens mit dem Verlust Karthagos (698) nur mehr an der Reichsperipherie liegende Italien. Einer der Herzöge, die versuchten, die Abhängigkeit von Konstantinopel zu lösen, war Stephan II. (755–800), unter dem es zu einer Annäherung an den Papst kam, zumal die Langobarden 751 Ravenna erobert hatten. Er prägte ab 763 erstmals eigene Münzen. Erst nach dem Tod des Antimo (801–818) übernahm Konstantinopel wieder die unmittelbare Kontrolle durch einen Protospatharios. Drei Jahre später übernahm die lokale Elite unter Stephan III. wieder die Macht. 840 wurde der Herzogstitel sogar erblich.

Das Herzogtum Neapel, im späten 8. Jahrhundert praktisch unabhängig, setzte sich gegen die Herzöge von Benevent und die Herzöge von Salerno durch, die versuchten, die Stadt zu erobern. Dazu verbündete es sich 836 sogar kurzzeitig mit den Muslimen, die ab 827 Sizilien eroberten und sich an einigen Stellen auf dem Festland festsetzten. 846 kam es zu einem Angriff auf Rom. Der Emir von Palermo eroberte Ischia und führte seine Armee am Vesuv entlang. 849 schlug eine päpstlich-kampanische Flotte Sarazenen vor Ostia, 871 eroberten Byzanz und Venedig sowie Truppen aus dem Reich, dazu kroatische und dalmatinische Hilfstruppen, Bari zurück. Damit gelang es Byzanz, seine alten Ansprüche auf den gesamten Süden der Halbinsel zu erneuern.

In Auseinandersetzung mit Byzanz baute der langobardische Fürst (princeps) Pandulf Eisenkopf Ende des 10. Jahrhunderts einen Machtbereich auf, der das Fürstentum Capua, das Herzogtum Benevent, das Herzogtum Spoleto und die Markgrafschaft Camerino umfasste. Pandulf huldigte Kaiser Otto I. Durch Pandulfs Tod 981 drohte jedoch der Zerfall des gesamten Machtblocks, denn Byzanz hatte seine Ansprüche auf die Oberhoheit über die langobardischen Fürstentümer keineswegs aufgegeben. Kaiser Otto II. versuchte nach 981, die langobardischen Fürstentümer seiner Herrschaft zu unterwerfen. Er starb jedoch 983.

In den 1020er Jahren war Neapel unabhängig von Byzanz, doch die Stadt begann sich zu verändern. Wie viele Städte Italiens, gab sie sich zunehmend eine Selbstorganisation, die um Unabhängigkeit auch vom Herzogtum rang. Die Quellen dazu sind allerdings dünn, immerhin erfahren wir aus den Annalen von Benevent zum Jahr 1015 von einer „communitas prima“, zum Jahr 1042 von einem „coniuratio secundo“. 1134 sah sich der Herzog gezwungen, sich mit den Neapolitanern zu verständigen. Herzog Sergius VII. schloss ein Pactum mit dem Stadtadel, den „mediani“, und der ganzen Bevölkerung. Der Herzog sagte Unverletzlichkeit der Person und des Eigentums zu, Bewegungsfreiheit für alle Händler; auch sagte er zu, jede Gesetzes- oder Abgabenänderung mit dem Adel abzusprechen und diese Abmachungen nicht zu unterminieren. Krieg und Bündnis sollten ebenfalls nicht mehr vom Herzog allein, sondern in Absprache mit der Stadtführung beschlossen werden. Als Sergius VII. 1137 starb, errichtete die Stadtgemeinde zusammen mit dem Bischof eine Adelsrepublik.[6]

Doch diese bestand nur bis zur Eroberung durch die Normannen im Jahr 1140, wenn es auch den Neapolitanern gelang, ihre privilegierte Stellung noch lange zu wahren.[7]

Normannen  Das Königreich beider Sizilien

Die Normannen hatten unter Rainulf Drengot seit 1027 mit der Grafschaft Aversa erstmals ein eigenes Territorium, das nördlich von Neapel lag, gewonnen. 1047 war Kaiser Heinrich III. in Begleitung von Papst Clemens II. zur Klärung der politischen Lage in den lombardischen Fürstentümern nach Süden vorgestoßen. Er entzog Waimar IV., der nach der Hegemonie in diesem Gebiet strebte, das Fürstentum Capua.[8] Doch schon wenig später erschien Waimar erneut als Lehnsherr der Normannen.

Die Normannen machten sich nicht nur von ihrem Lehnsherrn unabhängig, sie eroberten ganz Süditalien (bis 1071) einschließlich Sizilien (bis 1091). Das Herzogtum Neapel wurde von etwa 1134 bis 1136 unter Roger II. belagert, schließlich besiegt und 1140 dem normannischen Königreich beider Sizilien einverleibt. Neapel hatte zu dieser Zeit bereits etwa 30.000 Einwohner.[9] Die wichtigste kampanische Stadt war zu dieser Zeit Salerno. Sowohl der ursprüngliche Bau der Festung Castel dell’Ovo wie der des Castel Capuano geht auf die Normannen zurück.[10] Im Vergleich zu anderen Städten konnte Neapel einen hohen Grad an Autonomie und wirtschaftlicher Selbständigkeit erringen, was auf lange Sicht seiner Stellung im expandierenden Normannenreich zugutekam, während Amalfi und Gaeta ihre wirtschaftliche Vormachtstellung verloren. Grundlage und Höhepunkt war das königliche Privileg von 1190, das Neapel unmittelbar dem König unterstellte. Die Stadtgemeinde organisierte sich unter Konsuln, denen der vom König ernannte compalazzo vorstand.

Staufer

Doch 1194 traten die Staufer, die sich in einem kurzen Feldzug ganz Süditaliens bemächtigt hatten (Neapel fiel im August 1194) unter Heinrich VI. an ihre Stelle.[11] Sie entzogen Neapel seine Privilegien. Heinrichs Sohn und Nachfolger Friedrich II. gründete 1224 mit der Universität Neapel, die heute seinen Namen trägt, die erste staatliche Hochschule Europas.[12] Er führte ein von den zeitgenössischen Vorstellungen des Lehnswesens stark abweichende, zentralistische Verwaltung durch befehlsgebundene Beamte ein. Städtische Autonomie hatte dabei nur solange Platz, wie sie seinen politischen und ökonomischen Zielen diente.

Anjou  Das von den Anjou erbaute Castel Nuovo

Die staufische Herrschaft in Neapel überdauerte Friedrichs Tod im Jahr 1250 nicht lange. Das französische Haus Anjou etablierte eine neue Herrschaft, als Karl I. von Anjou das Königreich beider Sizilien eroberte und es ab 1266 als Lehensnehmer des Papstes innehatte.[13] Nach erbitterten Auseinandersetzungen mit den staufischen Erben konnte Karl I. die Staufer 1266 und 1268 besiegen. Konradin, der letzte männliche Staufer, wurde 1268 in Neapel auf der Piazza del Mercato enthauptet.[14]

Unter den Anjou gelangte Neapel wieder zu erheblicher Bedeutung, als diese es zur Hauptstadt des Königreichs Sizilien machten.[15] Seit 1270 entstanden neue Stadtmauern, neue Stadtgebiete und ein Hafen in der Nähe der im Osten gelegenen Märkte sowie zahlreiche Kirchen. Die Anjou ließen auch die Festungen Castello del Carmine und Castel Sant’Elmo sowie seit 1279 das sowohl zur Verteidigung des Hafens wie als königliche Residenz dienende Castel Nuovo erbauen.[16]

Um 1300 hatte Neapel bereits 50.000 Einwohner. Der Luxusbedarf des Hofes stimulierte den Handel, dem vor allem Florentiner, aber auch Genuesen, Venezianer, Katalanen sowie Marseiller beherrschten. Ab 1278 wurde mit dem Gigliato eine eigene Silbermünze geprägt, die bis ins 15. Jahrhundert von großer Bedeutung blieb. Das bereits von Wilhelm I. errichtete Kronarchiv im Castel Capuano wurde fortgeführt.[17]

Auch wenn ihre bis 1442 andauernde Herrschaft innenpolitisch von brutaler Unterdrückung geprägt war, sorgten sie für eine wirtschaftliche und kulturelle Blütezeit der Stadt und ergriffen grundlegende städtebauliche Maßnahmen zu ihrer Modernisierung.

Aragon, Habsburger

1442 besiegten Spanier, nämlich die Krone Aragonien unter Alfons, den letzten Herrscher der französischen Anjou, wobei große Teile der Stadt und des bereits von Vorstädten einverleibten Festungsgürtels zerstört wurden.[18] Unter den Aragonesen wurden die ökonomischen Verbindungen Neapels zur iberischen Halbinsel intensiviert, die Wirtschaft insgesamt gefördert und die Stadt zu einem Zentrum der Renaissance und des Humanismus.[19] Die Stadtmauer wurde dort, wo Vorstädte entstanden waren, mit Stadttoren versehen, Stadtmauer und -befestigung generalsaniert und ausgedehnt.[18]

 Das von 1537 bis 1547 in seiner heutigen Gestalt erbaute Castel Sant’Elmo

Neapel blieb auch nach der Verdrängung der Aragonesen unter spanischer Herrschaft. Diese wurden 1503 von den Habsburgern abgelöst (bis 1707) und das bis dahin selbständige Königreich Neapel als tributpflichtige Provinz dem spanisch-habsburgischen Weltreich angegliedert. Die nicht nur ökonomisch, sondern auch militärisch überlegenen Spanier stationierten 5000 Soldaten in Neapel, errichteten entlang der Küste Wehranlagen und bauten die auf einer Anhöhe über der Stadt gelegene Festung Castel Sant’Elmo neu auf. Unter den spanischen Vizekönigen von Neapel wurde aber auch damit begonnen, weitreichende städtebauliche Maßnahmen zu setzen. Die Altstadt wurde saniert und aufgestockt, die Legislative zentralisiert und ins Castel Capuano verlegt. Im Dreieck zwischen Pizzofalcone, Castel Sant’Elmo und Castel Nuovo sind neue, vorwiegend von den Spaniern selbst bewohnte Stadtviertel errichtet (darunter das rasterförmige Soldatenviertel der Quartieri Spagnoli) und durch die anstelle der alten Stadtmauer neu errichtete Via Toledo von der Stadt der Neapolitaner abgegrenzt worden. Die neu erbauten Stadtmauern und Festungen im spanischen Bereich galten nicht nur der Befestigung gegen äußere Feinde, sondern auch als Symbol der Überwachung und Unterwerfung. Der Regierungssitz wurde vom Castel Nuovo in den neugebauten Palazzo Reale in dem von Spaniern bewohnten Bereich der Stadt verlegt. Im Laufe der folgenden zwei Jahrhunderte begann die neapolitanische Adelsschicht aus der Altstadt in Richtung der spanischen Stadtteile zu ziehen.

 Pedro Álvarez de Toledo

Für ihre Beherrschbarkeit wurde die Stadtbevölkerung mit niedrigen Steuern und Brotpreisen belohnt, als Regierungssitz der Vizekönige, Universitätsstadt und dank seinem internationalen Hafen florierte die Stadt. Durch massenhaften Zuzug armer Landbevölkerung, aber auch des Landadels, stieg die Einwohnerzahl rasch auf 300.000 im Jahr 1700 und machte Neapel zu einer der größten Städte Europas. Die negativen Folgen waren Überbevölkerung, unkontrollierter Wildwuchs der Vorstädte, mangelnde Hygiene und Obdachlosigkeit unterer Schichten. Gleichzeitig entfaltete sich privater Wohnluxus der Oberschichten (Adel und Kaufmannsklasse), so entstanden zahlreiche bis heute das Stadtbild prägende Paläste und Klosterbauten. Geprägt hat diese Zeit vor allem der Vizekönig Pedro Álvarez de Toledo (1532–1553). Einerseits forcierte der ambitionierte Herrscher Verwaltungsreformen und die Stadtsanierung, andererseits setzte er auf Repression wie die Einführung der Inquisition in Neapel, die allerdings durch einen Volksaufstand 1547 verhindert wurde.[20]

Aufstände, Republik Neapel, österreichische Habsburger  Masaniello, um 1647 von Onofrio Palumbo

Die Herrschaft der spanischen Habsburger, die bis 1707 dauerte, wurde monatelang durch Aufstände und die Ausrufung der Republik Neapel unterbrochen; diese Ereignisse gelten als Teil der „Krise des 17. Jahrhunderts“.[21] Im Juli 1647 entluden sich die sozialen Spannungen in einem Aufstand, der von einer Abgabenerhöhung auf Frischgemüse ausgelöst wurde.[22] Der 27-jährige Fischer und Obsthändler Masaniello, der die anti-spanische Revolte anführte und nach ihrem Sieg für zehn Tage die Macht in der Stadt übernahm, genießt bis heute große Popularität in Neapel. Hinter dem Fischer stand Giulio Genoino, der wegen seiner Demokratisierungsforderungen 18 Jahre im Gefängnis verbracht hatte. Die Revolte endete, als der spanische Vizekönig ihren Anführer Masaniello gegen den Widerstand des Kardinals Ascanio Filomarino im Kloster von Santa Maria del Carmine ermorden ließ.

Nicht viel später, im Oktober 1647, wurde die Republik Neapel ausgerufen, in der Hoffnung, Frankreich würde die weite Teile Süditaliens erfassende Republik unterstützen. Stattdessen beschoss eine spanische Flotte Neapel, die Führer der Republik mussten am 6. April 1648 aufgeben.[23] Die alten Machtverhältnisse waren wiederhergestellt und nach einer weiteren kleineren Rebellion 1649 ergaben sich die Neapolitaner in ihr Schicksal. Zu alledem wurde die Stadt 1656 auch noch von einer verheerenden Pest heimgesucht, der tausende Einwohner zum Opfer fielen, im Juni sollen es 400 pro Tag, im Juli bereits 1.500 pro Tag gewesen sein.[24] Aufgrund der Massen an Toten begann man damit, sie in die Tuffsteinhöhlen der Stadt zu transportieren. Die Bevölkerung legte wenig Wert auf wissenschaftliche Ratschläge, sie setzte ihre Hoffnung einmal mehr in Prozessionen und Gebete; wer konnte, floh aufs Land.

Im Spanischen Erbfolgekrieg erhob sich Neapel am 7. Juli 1707 erneut, im August übernahm Österreich die Stadt.

Bourbonen  Ferdinand IV. in einem Porträt von Vincenzo Camuccini, um 1818

Im Jahr 1734 übernahm ein Zweig der Bourbonen im Polnischen Thronfolgekrieg Neapel von den Österreichern. Die Bourbonen hatten infolge des spanischen Erbfolgekrieges 1712 den vorher habsburgischen spanischen Thron erworben. Wien übergab die Stadt an einen anderen Zweig der Bourbonen, unter der Bedingung, dass Neapel niemals mit Spanien vereint würde. Nun trat eine deutliche Verbesserung der Verhältnisse ein. Unter Karl VII., der das neu formierte Königreich beider Sizilien von 1735 bis 1759 regierte und anschließend in Spanien herrschte, wurde eine energische Reformpolitik eingeleitet. Karl VII., ein Vertreter der Aufklärung, ging gegen Korruption vor, brach die Macht der kirchlichen Würdenträger, nahm bauliche Veränderungen im Stadtbild vor und förderte das kulturelle Leben und die Wissenschaften; so begannen 1738 die Ausgrabungen von Herculaneum. Giambattista Vico wurde Hofhistoriker. Pietro Giannone, der sich zu freimütig über Kirche und Staat äußerte, wurde nach Wien verbannt. Antonio Genovesi von der Universität Neapel wurde der erste Professor für politische Ökonomie und Ferdinando Galiani hielt als Sekretär der Botschaft in Paris Kontakt zu den bedeutendsten zeitgenössischen Philosophen. Die Administration wurde modernisiert und sie unterstützte den Handel. Dabei ließ sie sich von toskanischen und spanischen Beratern unterstützen wie dem Marquis von Salas Montealegre oder Bernardo Tanucci, einem Professor der Universität Pisa. 1759 entsagte Karl dem Thron, um König von Spanien zu werden.

Sein minderjähriger Sohn Ferdinand IV. folgte ihm als Herrscher nach, daher führte Tanucci die Staatsgeschäfte. Doch die Hungerkatastrophe von 1764, gepaart mit einer gewaltigen Epidemie, tötete 40.000 Neapolitaner, vielleicht 200.000 im gesamten Reich.[25] Sie warf die Reformen zurück. Königin Maria Carolina nutzte die Gelegenheit, um zusammen mit kirchlichen Kräften und konservativen Adligen den Reformkurs auszuhebeln. Die Tochter der österreichischen Kaiserin Maria Theresia zwang 1776 Tanucci zum Rücktritt.

Neapel mit seiner hohen Bevölkerungsdichte und weiterhin zuziehender Landbevölkerung barg auch unter Ferdinand IV. ein großes Potential für Unruhen. Ein vorbeugendes politisches Mittel waren genügend Brot und Spiele wie das regelmäßig vom König spendierte Cuccagna-Spektakel (paese di cuccagna bedeutet Schlaraffenland). Ferdinand wird als Re Lazzarone (ungefähr: ‚König der Bettler‘[26]) bezeichnet, der geistige Betätigung geringschätzte und die Ziele der Aufklärer und Reformpolitiker nicht teilte, aber ein gutes Verhältnis zu den unteren Schichten hatte.[27] Deren indifferente Wesensart beschreibt Goethe in seinem Buch Italienische Reise, als er im Frühjahr 1787 von einem Ausflug auf den damals gerade ausgebrochenen Vesuv in die Stadt zurückkehrte: „Der herrlichste Sonnenuntergang, ein himmlischer Abend erquickten mich auf meiner Rückkehr; doch konnte ich empfinden, wie sinneverwirrend ein ungeheurer Gegensatz sich erweise. Das Schreckliche zum Schönen, das Schöne zum Schrecklichen, beides hebt einander auf und bringt eine gleichgültige Empfindung hervor. Gewiß wäre der Neapolitaner ein anderer Mensch, wenn er sich nicht zwischen Gott und Satan eingeklemmt fühlte.“[28]

Parthenopäische Republik, Napoleoniden  Flagge der Parthenopäischen Republik

Angesichts der Erfolge Napoleons in seinem Italienfeldzug floh die königliche Familie 1798 nach Palermo. Im Januar 1799 zogen französische Revolutionstruppen unter General Jean-Étienne Championnet in Neapel ein. Eine Gruppe von elitären Republikanern (bürgerliche und adelige Intellektuelle, Juristen, Mediziner, in den Militärakademien erzogener Adelsnachwuchs und unfreiwillige von ihren Familien dazu bestimmte Kleriker), von denen allerdings der Großteil aus den Provinzen kam, proklamierte daraufhin für 144 Tage die Parthenopäische Republik.[29] Deren politische Konzepte, Ideen und Denkmodelle klangen wohl für den überwiegenden Teil der Bevölkerung fremd und unverständlich, jedenfalls stieß die Republik auf wenig Gegenliebe.[30]

Bereits seit Februar zog von Kalabrien aus der Kardinal Fabrizio Ruffo mit seinem „Christlichen Heer des Heiligen Glaubens“ (die „Sanfedisten“) der Revolution und Aufklärung entgegen. Als er am 13. Juni in Neapel einmarschierte, waren die Franzosen bereits abgezogen. Direkt darauf folgende Ausschreitungen und Hinrichtungen durch die Armee und die Unterschicht Neapels kosteten rund 100 Angehörige der intellektuellen Elite – genauer des entstehenden Bürgertums und des reformwilligen Teils der Aristokratie, darunter fast alle Mitglieder der Provisorischen Regierung – das Leben. Die Bourbonen kehrten in die Stadt zurück.[31]

Im Winter 1805/06 wurden die Bourbonen und damit die Spanier neuerlich entmachtet, diesmal von den napoleonischen Franzosen. Diese installierten in Süditalien erstmals eine konstitutionelle Monarchie mit politischer Beteiligung der Untertanen. Trotz wirtschaftlicher und militärischer Abhängigkeit von Frankreich (Satellitenstaat) besaß der Regno di Napoli weitgehende Souveränität. Die Franzosen säkularisierten den Staat und führten eine auf Rationalität gegründete gesellschaftspolitische Ordnung ein. Im August 1806 wurde der Feudalismus abgeschafft, wie die Armenfürsorge und das Schulwesen wurde im Februar 1807 der klösterliche Grundbesitz verstaatlicht. Eine staatliche Zentralverwaltung wurde aufgebaut und wissenschaftliche wie kulturelle Institutionen gegründet (Observatorium Capodimonte, Botanischer Garten, Zoologisches Museum) bzw. der Öffentlichkeit übergeben (Teatro San Carlo, Bibliotheken, Museen). Die folgenreichste Maßnahme war aber die Einführung des code civil im Jahr 1809. Hatte Joseph Bonaparte (1806–1808) Schlüsselpositionen noch vorwiegend mit Franzosen besetzt, vergab sein Nachfolger Joachim Murat (1808–1815) Posten an Kreise bürgerlicher und aufgeklärter Neapolitaner. Die Lebensverhältnisse der unteren Schichten blieben aber, auch aufgrund der Verstaatlichung der bis dahin von Kirche und Oberschicht übernommenen Armen- und Krankenfürsorge, weiterhin dieselben. So spricht ein Bericht des Consiglio provinciale napoletano im Jahr 1808 von Armut, Elend und der Situation der Straßenkinder. Trotzdem wurde in das bereits damals vom Adel und Reichen bewohnte Viertel Chiaia investiert, wo Boutiquen und Cafés entstanden und die Strandpromenade erneuert wurde.[32]

Restauration, Königreich beider Sizilien, Garibaldi  Neapel im Jahr 1835

Mit Napoléons Untergang kam auch das Ende des napoleonischen Königreichs Neapel; Ferdinand kehrte am 17. Juni 1815 nach Neapel zurück. Ferdinand zog eine rücksichtslose Restaurationspolitik durch, die auch die letzten Spuren französischer Reformbemühungen beseitigte. 1820 kam es dementsprechend zu einem ersten Aufstand der Carbonari, Soldaten rebellierten in Nola und Avellino. Unter General Guglielmo Pepe erreichte die Bewegung Neapel, der König unterzeichnete zwar eine Erklärung, doch gedachte er nicht nachzugeben. 1821 besetzte die österreichische Armee die Stadt und erstickte die Revolte. 1848 kam es erneut, wie in ganz Europa, zu einer Revolution. Ferdinand musste eine Verfassung akzeptieren, eine Versammlung beriet im Kloster San Lorenzo. Mit Hilfe von Schweizer Söldnern beseitigte Ferdinand die Regierung. Einer der Führer der Revolution, Luigi Settembrini, konnte aus dem Gefängnis fliehen. Er kehrte erst zurück, nachdem Garibaldi im Mai 1860 auf Sizilien gelandet war und am 7. September Neapel betreten hatte.

Königreich Italien, Zweiteilung des Landes  Die Truppen des Giuseppe Garibaldi beim feierlichen Einzug in Neapel 1860

Seit 1860 ist die Geschichte Neapels eng mit der nun beginnenden Geschichte des Königreichs Italien verschmolzen. Am 7. September 1860 zog Giuseppe Garibaldi nach der Eroberung Süditaliens in Neapel ein. Am 21. Oktober 1860 stimmten die Neapolitaner in einem Plebiszit mit überwältigender Mehrheit für den Anschluss an das Königreich Italien, das von 1861 bis 1946 bestehen blieb. Franz II., der letzte Bourbonenherrscher, war aus der Stadt in die Festung Gaeta geflüchtet. Er gab am 13. Februar 1861 seine Kapitulation bekannt und wurde für abgesetzt erklärt.

Allerdings identifizierten sich viele Neapolitaner nur in sehr geringem Umfang mit dem neuen italienischen Staat, dessen Ausgangspunkt und Machtzentrum im Piemont, im fremden Norditalien lag. So kamen auch viele Entwicklungsprojekte und Förderungsmaßnahmen der neuen Zentralregierung überwiegend dem Norden des Landes zugute, während der Süden vernachlässigt und durch eine ungerechte und harte Steuerpolitik wirtschaftlich stark belastet wurde. Notwendige Reformen, um die während der Bourbonenherrschaft entstandenen Probleme zu beseitigen (z. B. eine Landreform), unterblieben – auch auf Intervention der Großgrundbesitzer des Südens. Die Regierung scheiterte an der Aufgabe, das Land auch innerlich zu einigen. Der Norden prosperierte in den ersten Jahrzehnten nach Gründung des Königreichs wirtschaftlich zunehmend und fand bald Anschluss an die führenden europäischen Industrienationen, während der Süden in Armut und Agonie verharrte. Auch Neapel behielt alle Merkmale einer typischen Großstadt des Mezzogiorno. Armut, Kriminalität, Schattenwirtschaft und mafiöse Strukturen, die bis in die höchsten politischen und wirtschaftlichen Machtzentren reichten, prägten die Stadt.

1884 wurde Neapel infolge schlechter infrastruktureller und hygienischer Verhältnisse Opfer einer besonders in den überbevölkerten ärmeren Vierteln verheerenden Choleraepidemie.[33] In deren Folge wurde 1885 ein Gesetz (Legge per il Risanamento delle città di Napoli) beschlossen, das die Sanierung der Stadt, ein neues, hygienischeres Trink- und Abwassersystem sowie neugebaute Wohnviertel vorsah. Außerdem wurde eine Schneise durch die Altstadt gezogen, um die breite Straße Corso Umberto I. anzulegen.[33] Eine zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit quasi planwirtschaftlichen Methoden begonnene Industrialisierung war wegen Fehlplanung, fehlender Infrastruktur und in dunklen Quellen versickernden Geldern zum Scheitern verurteilt und führte zu keiner Verbesserung der ökonomischen Situation. So kam es zur ersten großen Auswanderungswelle nach Norditalien, Argentinien und vor allem in die USA.

 Stadtplan aus der Zeit um 1900 Plan der Umgebung der Stadt aus der Zeit um 1900Faschismus  Der Vicolo del Pallonetto in Santa Lucia, vor 1925, Carlo Brogi

In dieser Situation fand der Faschismus in Süditalien deutlich mehr Anhänger als im Norden des Landes. 1922, kurz vor dem Marsch auf Rom, fand in Neapel ein großer Faschistenkongress statt. Nach der Machtergreifung Mussolinis wurden die süditalienischen Probleme erst einmal durch die imperialen Bestrebungen der Faschisten und später durch den Zweiten Weltkrieg überlagert, kaschiert und in den Hintergrund gedrängt. 1938 war Adolf Hitler in Neapel auf Staatsbesuch bei Mussolini.

 Piazza Municipio mit Blick auf die Stazione Marittima di Napoli im Hintergrund

Die Architektur der faschistischen Zeit prägte Teile des Stadtbilds. So wurden die Stazione Marittima di Napoli und das Gelände der Mostra d’Oltremare erbaut. Im Zentrum entstand die Piazza Matteotti, an der fünf große Gebäude errichtet wurden, so der Palazzo delle Poste und die Casa del Mutilato.

Während des Zweiten Weltkriegs wurde die Stadt vom 4. Dezember 1942 bis ins Jahr 1943 von amerikanischen Flugzeugen bombardiert. Bei zahlreichen Luftangriffen wurden etwa 1900 Personen getötet.[34] Zahlreiche Industrieanlagen, der Bahnhof und der Hafen waren Hauptziele der Attacken, aber auch viele Häuser und eine Reihe von Kirchen wurden zerstört. Nach der Absetzung und Verhaftung Mussolinis 1943 wurde Neapel im September von Wehrmachtstruppen besetzt. Die Neapolitaner waren für kurze Zeit dem deutschen Terrorregime ausgesetzt. In den am 27. September beginnenden Barrikaden- und Häuserkämpfen (den vier Tagen von Neapel) gelang es den Einwohnern der Stadt sich aus eigener Kraft noch vor dem Eintreffen der Alliierten am 1. Oktober 1943 zu befreien und die Besatzer aus der Stadt zu vertreiben. Doch hatten die deutschen Truppen viele Häuser vermint und die Wasserfilteranlagen zerstört. Im Jahr 1944 kam es zu erneuten Luftangriffen, diesmal durch die deutsche Luftwaffe.

Nach dem Zweiten Weltkrieg  Bomber der US Air Force passieren den Vesuv während seines letzten Ausbruchs im März 1944

Die anschließende amerikanische Besatzung fand zunächst ein Chaos vor. Der US-Militärverwalter Charles Poletti, der seit Juni 1944 im Amt war, säuberte Polizei und Verwaltung mit besonders großer Härte von faschistischen Elementen.[35] In der Konsequenz musste er sich bei der Reorganisation des städtischen Lebens daher der Mithilfe des 1937 aus den USA nach Italien geflohenen Mafiabosses Vito Genovese und der örtlichen Camorra bedienen, die sich ihm als Ordnungsfaktor anstelle der aufgelösten faschistischen Polizei andiente und dadurch dauerhaft erstarkte. Die Bedürfnisse der GIs und der günstige Wechselkurs des Dollars waren der ideale Nährboden für die florierende Schattenwirtschaft in Neapel, zu der etwa 40.000 Prostituierte gehörten.

Beim Volksentscheid von 1946 über die künftige Staatsform stimmten die Einwohner Neapels (und Süditaliens) im Gegensatz zur Mehrheit des Landes für die Beibehaltung der Monarchie. Bei der folgenden Konstituierung der Italienischen Republik wurde mit Enrico De Nicola ein Neapolitaner zu deren erstem Präsidenten gewählt. In den ersten Jahrzehnten der jungen Republik änderte sich für die Neapolitaner nichts Wesentliches an den prekären Verhältnissen in der Stadt.

Dies führte zu einer weiteren großen Auswanderungswelle, wieder waren Norditalien und die USA, zusätzlich aber auch die Bundesrepublik Deutschland als aufblühendes Wirtschaftswunderland die bevorzugten Ziele der Emigranten. Die Regierung in Rom leitete zwar über die zum Aufbau des Südens gegründete Cassa per il Mezzogiorno („Kasse für den Süden“)[36] Milliarden an Subventionen nach Süditalien, diese verschwanden aber teilweise, ohne dass die geplanten Projekte jemals erbaut wurden oder sie wurden fehlinvestiert.

Neapel erlebte eine für das Europa der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts beispiellose Verquickung von Wirtschaft, Politik und Camorra, und der Name der Stadt wurde zum Synonym für Korruption, Bauspekulation und illegale Bereicherung. Protagonist dieser Politik war in Neapel insbesondere der der monarchistischen Rechten nahestehende Bürgermeister Achille Lauro (1952–1958 und 1961). Durch zweifelhafte Methoden in den Besitz eines Flotten- und Finanzimperiums gelangt, nutzte er die Bürgermeisterposition vorrangig zum weiteren Ausbau seiner wirtschaftlichen und politischen Macht. Gleichwohl war er als typischer Populist, der eine ausgeprägte Panem-et-circenses-Politik betrieb, bei der Bevölkerung beliebt. Lauros Zwangsabsetzung per Dekret der römischen Zentralregierung änderte nichts Grundlegendes an den Zuständen. Fast alle seiner Nachfolger kopierten diese Politik, ob es sich nun um Christdemokraten oder Sozialisten handelte.

1980 ereigneten sich in Kampanien schwere Erdbeben, die 2914 Todesopfer zur Folge hatten.[37] Neapel blieb daraufhin über lange Zeit mit großen Zahlen obdachloser Zuwanderer konfrontiert.

Gegenwart: Erneuerung, wechselnde Regierungsbündnisse, Wirtschaftskrise

Erst im Rahmen des gesamtitalienischen Erneuerungsprozesses ab 1992 änderten sich auch die Verhältnisse in Neapel. Die Ära der korrupten Kommunalpolitiker wurde beendet. 1993 wurde Antonio Bassolino vom Mitte-links-Bündnis L’Ulivo gegen Alessandra Mussolini (Alternativa Sociale) zum Bürgermeister gewählt. In seiner bis zum Jahr 2001 währenden Amtszeit erlebte die Stadt einen schnellen und nie für möglich gehaltenen Aufschwung. Die Korruption wurde systematisch bekämpft, der Einfluss der Camorra zumindest eingedämmt. Restaurierungsarbeiten am Stadtbild und Sanierungsmaßnahmen wurden eingeleitet. 1994 war Neapel Tagungsort des G7-Gipfels, 1995 wurde das centro storico (Altstadt) von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt. Bei seiner Wiederwahl 1997 erhielt Bassolino 73 % der Stimmen,[38] im Jahr 2000 wurde er Präsident der Region Kampanien. 2008 wurde gegen ihn ein Prozess wegen Amtsmissbrauch und Korruption in seiner Amtszeit als Sonderbeauftragter für den Müllnotstand (2000–2004) eröffnet.

In den Jahren 2007 und 2008 spitzte sich das seit 1994 bestehende Müllproblem Neapels zu und wurde zu einem nationalen Politikum. Auf hunderten von illegalen Mülldeponien im Umland wurde vor allem von der Camorra Müll aus ganz Italien, darunter hochgiftiger Industriemüll, abgelagert.

Von 2001 bis 2011 war Rosa Russo Iervolino vom Partito Democratico Bürgermeisterin. Bei ihrer ersten Kandidatur mit 52,1 % der abgegebenen Stimmen gewählt, wurde sie 2006 mit 57 % der gültigen Stimmen im Amt bestätigt.[39] 2011 gewann Luigi de Magistris überraschend die Wahl zum Bürgermeister und wurde 2016 wiedergewählt. Damit regierte weiterhin ein Politiker aus einer Partei des Mitte-links-Bündnisses. 2021 wurde der unabhängige Mitte-links-Kandidat Gaetano Manfredi, den die Partito Democratico und die Fünf-Sterne-Bewegung gemeinsam unterstützten, bereits im ersten Wahlgang mit 63 % der Stimmen zum Bürgermeister gewählt.[40][41]

Dieser Abschnitt zur antiken griechischen Geschichte Neapels folgt Rabun Taylor: A Documentary History of Naples. Ancient Naples, Chapter Two, From Parthenope to Neapolis, noch unveröffentlicht Dieser Abschnitt zur antiken römischen Geschichte Neapels folgt: Rabun Taylor: A Documentary History of Naples. Ancient Naples, Chapter Four, Neapolis and the Rise of Rome, noch unveröffentlicht und Rabun Taylor: A Documentary History of Naples. Ancient Naples, Chapter Five, From Republic to Empire, noch unveröffentlicht Plinius der Ältere, Naturalis historia 3,60. Salvatore Pisano: Neapel-Topoi. In: Salvatore Pisani, Katharina Siebenmorgen (Hrsg.): Neapel: Sechs Jahrhunderte Kulturgeschichte, Reimer, Berlin 2009, S. 28–37, hier: S. 30–33 Prokopios von Caesarea, Historien 5,10 (englische Übersetzung). Edith Ennen: Die europäische Stadt des Mittelalters, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, 4. verbesserte Auflage. 1987, S. 136 f. Dieser Abschnitt über das byzantinische Herzogtum Neapel folgt: Vera von Falkenhausen: Die Städte im byzantinischen Italien. In: Mélanges de l’Ecole française de Rome. Moyen-Age, Temps modernes, Band 101, Nr. 2., 1989, S. 401–464, hier: S. 451 Egon Boshof, Die Salier. 5., aktualisierte Auflage. Stuttgart 2008, S. 131 Edith Ennen: Die europäische Stadt des Mittelalters, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, 4. verbesserte Auflage. 1987, S. 98. Dieser Absatz zur normannischen Herrschaft über Neapel folgt: Barbara M. Kreutz, Carola M. Small: Naples. In: Christopher Kleinhenz (Hrsg.): Medieval Italy. An Encyclopedia. Band 2, Routledge, New York 2004, S. 755–760, hier: S. 757 Hans Martin Schaller: Heinrich VI. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 8, Duncker & Humblot, Berlin 1969, ISBN 3-428-00189-3, S. 323–326 (Digitalisat). Hans Martin Schaller: Friedrich II. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 5, Duncker & Humblot, Berlin 1961, ISBN 3-428-00186-9, S. 478–484 (Digitalisat). Peter Herde: Carlo I d’Angiò. In: Alberto M. Ghisalberti (Hrsg.): Dizionario Biografico degli Italiani (DBI). Band 20: Carducci–Carusi. Istituto della Enciclopedia Italiana, Rom 1977, S. 199–226. Regesta Imperii, Conradin V 1.2, Nr. 4860a Barbara M. Kreutz, Carola M. Small: Naples. In: Christopher Kleinhenz (Hrsg.): Medieval Italy. An Encyclopedia, Band 2, Routledge, New York 2004, S. 755–760, hier: S. 757 Oronzo Brunetti: Stadtmauern und Festungsbauten. In: Salvatore Pisani, Katharina Siebenmorgen (Hrsg.): Neapel: Sechs Jahrhunderte Kulturgeschichte, Reimer, Berlin 2009, S. 139–145, hier: S. 139–140 Edith Ennen: Die europäische Stadt des Mittelalters, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1987, 4. verbesserte Auflage, S. 166 ↑ a b Oronzo Brunetti: Stadtmauern und Festungsbauten. In: Salvatore Pisani, Katharina Siebenmorgen (Hrsg.): Neapel: Sechs Jahrhunderte Kulturgeschichte, Reimer, Berlin 2009, S. 139–145, hier: S. 140 Vgl. Salvatore Pisani: Die Residenzstadt der Aragonesen. In: Salvatore Pisani, Katharina Siebenmorgen (Hrsg.): Neapel: Sechs Jahrhunderte Kulturgeschichte, Reimer, Berlin 2009, S. 47–58 Der Abschnitt zur Zeit der Vizekönige folgt Salvatore Pisani: Stadtbau und spanische Machtpolitik. In: Salvatore Pisani, Katharina Siebenmorgen (Hrsg.): Neapel: Sechs Jahrhunderte Kulturgeschichte, Reimer, Berlin 2009, S. 146–155. Vgl. auch: Oronzo Brunetti: Stadtmauern und Festungsbauten. In: Salvatore Pisani, Katharina Siebenmorgen (Hrsg.): Neapel: Sechs Jahrhunderte Kulturgeschichte, Reimer, Berlin 2009, S. 139–145, hier: S. 140–141 Geoffrey Parker, Lesley M. Smith: The General Crisis of the Seventeenth Century, 1. Auflage. London 1978 Vgl. Katharina Siebenmorgen: Die Masaniello-Revolte von 1647. In: Salvatore Pisani, Katharina Siebenmorgen (Hrsg.): Neapel: Sechs Jahrhunderte Kulturgeschichte, Reimer, Berlin 2009, S. 254–260 Rosario Villari: La rivolta antispagnola a Napoli. Le origini (1587–1647), Bari 1967. Er betont die antifeudalistische Tendenz der Rebellion, zumindest auf dem Lande. Vgl. Aurelio Musi: La rivolta di Masaniello nella scena politica barocca, 1989, 2. Auflage. Neapel 2002 Klaus Bergdolt: Die Pest, Beck, München 2006, S. 80 f. Egidio Papa: Carestia ed epidemia nel regno di Napoli durante il 1763–64 nella corrispondenza tra la nunziatura e la segreteria di Stato. In: Rivista di Storia della Chiesa in Italia 28 (1974), S. 191–208, hier: S. 201 Diese häufig anzutreffende Übersetzung trifft allerdings nur zum Teil. Vgl. Ottorino Gurgo: Lazzari. Una storia napoletana, Guida Editori, 2005, passim, der etwa das Moment der wechselseitigen Abhängigkeit zwischen König und Lazzari betont, aber auch ihre vorindustrielle Arbeitsmentalität, die eher auf den bloßen Lebensunterhalt als auf Selbstverwirklichung, Arbeitsethos oder gesellschaftliche Anerkennung und Zugehörigkeit ausgerichtet war. Der Abschnitt folgt Katharina Siebenmorgen: Ferdinand IV., das Korn und die Parthenopäische Republik. In: Salvatore Pisani, Katharina Siebenmorgen (Hrsg.): Neapel: Sechs Jahrhunderte Kulturgeschichte, Reimer, Berlin 2009, S. 307–315, hier: S. 308 f. Johann Wolfgang von Goethe: Italienische Reise, Eintrag zum 20. März 1787 Antony Pagden: Francesco Maria Pagano’s „Republick of Virtue“: Naples 1799. In: Biancamaria Fontana (Hrsg.): The Invention of the Modern Republic, Cambridge University Press 1994, S. 139–153 Der Abschnitt folgt Katharina Siebenmorgen: Ferdinand IV., das Korn und die Parthenopäische Republik. In: Salvatore Pisani, Katharina Siebenmorgen (Hrsg.): Neapel: Sechs Jahrhunderte Kulturgeschichte, Reimer, Berlin 2009, S. 307–315, hier: S. 310–313 Der Abschnitt folgt Katharina Siebenmorgen: Ferdinand IV., das Korn und die Parthenopäische Republik. In: Salvatore Pisani, Katharina Siebenmorgen (Hrsg.): Neapel: Sechs Jahrhunderte Kulturgeschichte, Reimer, Berlin 2009, S. 307–315, hier: S. 313–315 Der Abschnitt zur napoleonischen Zeit folgt: Salvatore Pisani: Die Reformprogramme der Napoleoniden. In: Salvatore Pisani, Katharina Siebenmorgen (Hrsg.): Neapel: Sechs Jahrhunderte Kulturgeschichte, Reimer, Berlin 2009, S. 169–174 ↑ a b Alfredo Buccaro: Stadtsanierung und -erweiterung nach der Einigung Italiens. In: Salvatore Pisani, Katharina Siebenmorgen (Hrsg.): Neapel: Sechs Jahrhunderte Kulturgeschichte, Reimer, Berlin 2009, S. 455–461, hier: S. 457 Daten des Istituto di Studi Storici Economici e Sociali (I.S.S.E.S) auf www.isses.it (PDF; 891 kB). Hans Woller: Die Abrechnung mit dem Faschismus in Italien 1943 bis 1948, Berlin 1996, S. 148. Gesetz Nr. 646 vom 10. August 1950. Archiviert vom Original am 13. April 2013; abgerufen am 4. März 2018. (italienisch) Daten der Ereignisgeschichte. In: Salvatore Pisani, Katharina Siebenmorgen (Hrsg.): Neapel: Sechs Jahrhunderte Kulturgeschichte, Reimer, Berlin 2009, S. 528–534 Comune di Napoli: Le elezioni a Napoli dal 1946 al 1997, 2000, S. 114 (italienisch) Dominique Reynié: L’opinion européenne, La table ronde, Paris 2007, S. 243 Kommunalwahl in Italien: Römer befördern Bürgermeisterin Raggi aus dem Amt. In: Der Spiegel (online). 5. Oktober 2021, abgerufen am 1. November 2021. Michael Braun: Ausgang der Kommunalwahlen: Mitte-links siegt in Italien. In: Die Tageszeitung. 5. Oktober 2021, abgerufen am 1. November 2021.
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