Deutschland

Kiefer. from Frankfurt, Germany - CC BY 2.0 F.A. Mac Donald, Inverness, Nova Scotia, Canada - Public domain Heribert Pohl --- Thanks for half a million clicks! from Germering bei München, Bayern - CC BY-SA 2.0 Thomas Wolf, www.foto-tw.de - CC BY-SA 3.0 de Inoue-hiro - CC BY-SA 3.0 Holger Weinandt - CC BY-SA 3.0 Jerzy Strzelecki - CC BY-SA 3.0 Manfred Brückels - Public domain Allan Green - Public domain Je-str - CC BY-SA 3.0 Jerzy Strzelecki - CC BY-SA 3.0 Zacke82 - CC BY-SA 3.0 Allan Green - Public domain Frank Schulenburg - CC BY-SA 4.0 Jacek Rużyczka - CC BY-SA 4.0 Ansgar Koreng - CC BY-SA 3.0 de Eric Pancer (Flickr user: vxla) - CC BY 3.0 A.Landgraf - CC BY-SA 4.0 Bgabel - CC BY-SA 3.0 Rainer Lippert - CC BY-SA 3.0 An-d - CC BY-SA 3.0 Aleksandr Zykov from Russia - CC BY-SA 2.0 Konrad Lackerbeck - CC BY-SA 2.5 Je-str - CC BY-SA 3.0 Mdkoch84 - Public domain Pardin - CC BY-SA 3.0 HOWI - Horsch, Willy - CC BY-SA 3.0 ANKAWÜ - CC0 D'oh Boy - CC BY 2.0 A.Landgraf - CC BY-SA 4.0 Denkhenk - CC BY-SA 3.0 Bodow - CC BY-SA 4.0 M.Dirgėla - CC BY-SA 3.0 A.Landgraf - CC BY-SA 4.0 L.Kenzel - CC BY-SA 3.0 Zacke82 - CC BY-SA 3.0 Musaddam Idrissa Musa - CC BY-SA 4.0 BeneFoto - CC BY-SA 4.0 Je-str - CC BY-SA 3.0 mlaiacker - CC BY-SA 3.0 Allan Green - Public domain Christian Stamm - CC BY-SA 3.0 Gryffindor - CC BY-SA 3.0 Je-str - CC BY-SA 3.0 Jack and Jason's Pancakes - CC BY-SA 4.0 Rolf Kranz - CC BY-SA 4.0 Neil Mercer - CC BY-SA 4.0 No machine-readable author provided. RalfZi assumed (based on copyright claims). - CC BY-SA 3.0 Magnus Manske - CC BY-SA 3.0 Aleksandr Zykov from Russia - CC BY-SA 2.0 Aleksandr Zykov from Russia - CC BY-SA 2.0 Andreas Tack (Tackbert) - CC BY-SA 3.0 No images

Kontext von Deutschland

Deutschland ([ˈdɔɪ̯t͡ʃlant] ; Vollform des Staatennamens seit 1949: Bundesrepublik Deutschland) ist ein Bundesstaat in Mitteleuropa. Er hat 16 Bundesländer und ist als freiheitlich-demokratischer und sozialer Rechtsstaat verfasst. Die 1949 gegründete Bundesrepublik Deutschland stellt die jüngste Ausprägung des 1871 erstmals begründeten deutschen Nationalstaates dar. Bundeshauptstadt und Regierungssitz ist Berlin. Deutschland grenzt an neun Staaten, es hat Anteil an der Nord- und Ostsee im Norden sowie dem Bodensee und den Alpen im Süden. Es liegt in der gemäßigten Klimazone und verfügt über 16 National- und mehr als 100 Naturparks.

Das heutige Deutschland hat circa 84,3 Millionen Einwohner und zählt bei einer Fläche von 357.588 Quadratkilometern mit durchschnittlich 232 Einwohnern pro Quadratkilometer zu den dicht besiedelten Flächenstaaten. Die bevölkerungsreichste deutsWeiterlesen

Deutschland ([ˈdɔɪ̯t͡ʃlant] ; Vollform des Staatennamens seit 1949: Bundesrepublik Deutschland) ist ein Bundesstaat in Mitteleuropa. Er hat 16 Bundesländer und ist als freiheitlich-demokratischer und sozialer Rechtsstaat verfasst. Die 1949 gegründete Bundesrepublik Deutschland stellt die jüngste Ausprägung des 1871 erstmals begründeten deutschen Nationalstaates dar. Bundeshauptstadt und Regierungssitz ist Berlin. Deutschland grenzt an neun Staaten, es hat Anteil an der Nord- und Ostsee im Norden sowie dem Bodensee und den Alpen im Süden. Es liegt in der gemäßigten Klimazone und verfügt über 16 National- und mehr als 100 Naturparks.

Das heutige Deutschland hat circa 84,3 Millionen Einwohner und zählt bei einer Fläche von 357.588 Quadratkilometern mit durchschnittlich 232 Einwohnern pro Quadratkilometer zu den dicht besiedelten Flächenstaaten. Die bevölkerungsreichste deutsche Stadt ist Berlin; weitere Metropolen mit mehr als einer Million Einwohnern sind Hamburg, München und Köln; der größte Ballungsraum ist das Ruhrgebiet. Frankfurt am Main ist als europäisches Finanzzentrum von globaler Bedeutung. Die Geburtenrate liegt bei 1,58 Kindern pro Frau (2021).

Auf dem Gebiet Deutschlands ist die Anwesenheit von Menschen vor 500.000 Jahren durch Funde des Homo heidelbergensis sowie einiger prähistorischer Kunstwerke aus der späteren Altsteinzeit nachgewiesen. Während der Jungsteinzeit, um 5600 v. Chr., wanderten die ersten Bauern mitsamt Vieh und Saatgut aus dem Nahen Osten ein. Seit der Antike ist die lateinische Bezeichnung Germania für das Siedlungsgebiet der Germanen bekannt. Das ab dem 10. Jahrhundert bestehende römisch-deutsche Reich, das aus vielen Herrschaftsgebieten bestand, war wie der 1815 ins Leben gerufene Deutsche Bund und die liberale demokratische Bewegung Vorläufer des späteren deutschen Gesamtstaates, der 1871 als Deutsches Reich gegründet wurde.

Die rasche Entwicklung vom Agrar- zum Industriestaat vollzog sich während der Gründerzeit in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde 1918 die Monarchie abgeschafft und die demokratische Weimarer Republik konstituiert. Ab 1933 führte die nationalsozialistische Diktatur zu politischer und rassistischer Verfolgung und gipfelte in der Ermordung von sechs Millionen Juden und Angehörigen anderer Minderheiten wie Sinti und Roma. Der vom NS-Staat 1939 begonnene Zweite Weltkrieg endete 1945 mit der Niederlage der Achsenmächte. Das von den Siegermächten besetzte Land wurde 1949 geteilt, nachdem bereits 1945 seine Ostgebiete teils unter polnische, teils sowjetische Verwaltungshoheit gestellt worden waren. Der Gründung der Bundesrepublik als demokratischer westdeutscher Teilstaat mit Westbindung am 23. Mai 1949 folgte die Gründung der sozialistischen DDR am 7. Oktober 1949 als ostdeutscher Teilstaat unter sowjetischer Hegemonie. Die innerdeutsche Grenze war nach dem Berliner Mauerbau (ab 13. August 1961) abgeriegelt. Nach der friedlichen Revolution in der DDR 1989 erfolgte die Lösung der deutschen Frage durch die Wiedervereinigung beider Landesteile am 3. Oktober 1990, womit auch die Außengrenzen Deutschlands als endgültig anerkannt wurden. Durch den Beitritt der fünf ostdeutschen Länder sowie die Wiedervereinigung von Ost- und West-Berlin zur heutigen Bundeshauptstadt zählt die Bundesrepublik Deutschland seit 1990 sechzehn Bundesländer.

Deutschland ist Gründungsmitglied der Europäischen Union und ihrer Vorgänger (Römische Verträge 1957) sowie deren bevölkerungsreichstes Land. Mit 18 anderen EU-Mitgliedstaaten bildet es eine Währungsunion, die Eurozone. Es ist Mitglied der UN, der OECD, der OSZE, der NATO, der G7, der G20 und des Europarates. Die Vereinten Nationen unterhalten seit 1951 ihren deutschen Sitz in Bonn („UNO-Stadt“). Die Bundesrepublik Deutschland gilt als einer der politisch einflussreichsten Staaten Europas und ist ein gesuchtes Partnerland auf globaler Ebene.

Gemessen am Bruttoinlandsprodukt ist das marktwirtschaftlich organisierte Deutschland die größte Volkswirtschaft Europas und die viertgrößte der Welt. 2016 war es die drittgrößte Export- und Importnation. Es ist eine Informations- und Wissensgesellschaft. Automatisierung, Digitalisierung und Disruption prägen die innovative deutsche Industrieentwicklung. Die Steigerung der Qualität des deutschen Bildungssystems und die nachhaltige Entwicklung des Landes gelten als zentrale Aufgaben der Standortpolitik. Gemäß dem Index der menschlichen Entwicklung zählt Deutschland zu den sehr hoch entwickelten Ländern.

Muttersprache der Bevölkerungsmehrheit ist die deutsche Sprache. Daneben gibt es Regional- und Minderheitensprachen und sowohl Deutsche als auch Migranten mit anderen Muttersprachen, von denen die bedeutendsten Türkisch und Russisch sind. Bedeutendste Fremdsprache ist Englisch, das in allen Bundesländern in der Schule gelehrt wird. Die Kultur Deutschlands ist vielfältig und wird neben zahlreichen Traditionen, Institutionen und Veranstaltungen beispielsweise in der Auszeichnung als UNESCO-Welterbe in Deutschland, in Kulturdenkmälern und als immaterielles Kulturerbe erfasst und gewürdigt.

Mehr über Deutschland

Grundinformation
  • Währung Euro
  • Ursprünglicher Name Deutschland
  • Anrufcode +49
  • Internet Domäne .de
  • Speed limit 0
  • Mains voltage 230V/50Hz
  • Democracy index 8.68
Population, Area & Driving side
  • Bevölkerung 83149300
  • Fläche 357587
  • Fahrseite right
Verlauf
  • Urgeschichte, Kelten, Germanen und Römer
     
    Der Löwenmensch aus der Stadel-Höhle im Hohlenstein, Lonetal, entstandenWeiterlesen
    Urgeschichte, Kelten, Germanen und Römer
     
    Der Löwenmensch aus der Stadel-Höhle im Hohlenstein, Lonetal, entstanden zwischen 39.000 und 33.000 v. Chr.
     
    Karte der germanischen Stämme Mitteleuropas mit dem römischen Limes und den Legionslagern um 50 n. Chr.
     
    Die Himmelsscheibe von Nebra aus der frühen Bronzezeit

    Der älteste fossile Beleg für die Anwesenheit der Gattung Homo auf deutschem Gebiet – der Unterkiefer von Mauer – ist rund 500.000 Jahre alt, er wurde nach seinem Fundort in der Nähe von Heidelberg als Homo heidelbergensis benannt. Die mindestens 300.000 Jahre alten Schöninger Speere sind die ältesten vollständig erhaltenen Jagdwaffen der Menschheit und haben das Bild der kulturellen und sozialen Entwicklung des frühen Menschen revolutioniert.

    Auf die Neandertaler, nach einem Fundort im Neandertal, östlich von Düsseldorf, benannt, folgte vor etwa 40.000 Jahren der aus Afrika zugewanderte Homo sapiens, der anatomisch moderne Mensch. Die Neandertaler verschwanden zwar, doch ließ sich jüngst belegen, dass beide zumindest einige gemeinsame Nachkommen hatten. Die jungpaläolithische Kleinkunst ist die älteste bekannte Kunst der Menschheit.

    Aus dem Nahen Osten kommende jungsteinzeitliche Bauern, die mit ihrem Vieh und ihren Kulturpflanzen über Anatolien und den Balkan zuwanderten (Linearbandkeramiker), verdrängten ab etwa 5700/5600 v. Chr. die Jäger und Sammler der Mittelsteinzeit aus der Südhälfte Deutschlands. Erst um 4000 v. Chr. wurden die aneignenden Kulturen der Jäger, Sammler und Fischer auch in Norddeutschland von bäuerlichen, nun durchgehend sesshaften Kulturen abgelöst; als letzte Kultur der Jäger in Norddeutschland gilt die Ertebølle-Kultur.

    Mit über 1000 Jahren Verzögerung begann auf deutschem Gebiet die Bronzezeit um 2200 v. Chr. Zu ihren bedeutendsten Funden zählt die Himmelsscheibe von Nebra. Mit Beginn der Hallstattzeit (1200–1000 v. Chr.) waren Süd- und Mitteldeutschland von Kelten besiedelt, als bedeutendstes Metall begann sich das Eisen durchzusetzen. Um 600 v. Chr. kam es in Norddeutschland zur Herausbildung der Jastorf-Kultur, die als germanische Kultur angesehen wird. Der Begriff „Germanen“ (lateinisch Germani) wurde im 1. Jahrhundert v. Chr. von antiken Autoren erstmals erwähnt. Es handelt sich hierbei um einen ethnographischen, wenig präzisen Sammelbegriff, der aus methodischen Gründen nicht als Bezeichnung für ein einheitliches Volk missverstanden werden darf.[1]

    Von 58 v. Chr. bis etwa 455 n. Chr. gehörten die Gebiete links des Rheins und südlich der Donau zum Römischen Reich, von etwa 80 bis 260 n. Chr. auch ein Teil Hessens sowie der größte Teil des heutigen Baden-Württemberg südlich des Limes. Diese römischen Gebiete verteilten sich auf die Provinzen Gallia Belgica, Germania superior, Germania inferior, Raetia und Noricum. Dort gründeten die Römer Legionslager, eine Reihe von Städten wie Trier, Köln, Augsburg und Mainz – die ältesten Städte Deutschlands. Verbündete germanische Stämme sicherten diese Provinzen, zudem wurden Siedler aus anderen Reichsteilen hier sesshaft.

    Der außerhalb der römischen Provinzen Germania Inferior und Germania Superior liegende Teil des Siedlungsgebiets der Germanen wurde von den Römern in der frühen und hohen Kaiserzeit und in der Spätantike als Germania magna bezeichnet.[2]

    Versuche, den Einflussbereich weiter in dieses germanische Gebiet auszudehnen, scheiterten mit der Varusschlacht im Jahr 9 n. Chr. Die Bemühungen der Römer zur Errichtung von Provinzen bis zur Elbe endeten schließlich. Tacitus’ frühestens im Jahr 98 entstandene Schrift Germania ist die älteste Beschreibung der germanischen Stämme.

    Völkerwanderung und Frühmittelalter (375–962)

    Nach dem Einfall der Hunnen um 375 setzte die Völkerwanderung ein, gleichzeitig bildeten sich im Übergang von der Spätantike zum Frühmittelalter mehrere Großstämme heraus, nämlich die der Franken, Alamannen, Sachsen, Bayern und Thüringer. Wichtig in der neueren Forschung ist in diesem Kontext der komplexe Vorgang der Ethnogenese der unterschiedlichen gentes (Stämme). Die Entstehung von ethnischen Identitäten (Ethnizität) in der Spätantike bzw. dem beginnenden Frühmittelalter im Zusammenhang mit der sogenannten Völkerwanderung[3] wird heute nicht mehr als biologische Kategorie verstanden. Identitäten entstehen vielmehr in einem wechselhaften sozialen Prozess, bei dem mehrere Faktoren eine Rolle spielen.[4]

    Das Ziel der in das Imperium eingedrungenen Gruppen war vor allem Teilhabe am Wohlstand des Imperiums, dessen Strukturen und Kultur sie keineswegs zerstören wollten. Doch die folgenden militärischen Konflikte und innerrömische Machtkämpfe führten zu einem politischen Erosionsprozess des Westreichs.[5] Im Zuge des Untergangs Westroms (der letzte Kaiser in Italien wurde 476 abgesetzt) kam es zur Bildung germanisch-romanischer Nachfolgereiche auf dem Boden des westlichen Imperiums.[6] Das Oströmische Reich („Byzanz“) bestand hingegen bis 1453 fort und unterhielt weiterhin Kontakte in den Westen.

    In die weitgehend entvölkerten Gebiete des heutigen Ostdeutschlands wanderten im 7. Jahrhundert slawische Stämme ein. Erst im Zuge der hochmittelalterlichen Ostsiedlung wurden sie assimiliert. West- und Mitteleuropa wurde von dem am Ende des 5. Jahrhunderts entstandenen Frankenreich dominiert, das heutige Norddeutschland von den Sachsen und Slawen. Alle heute zu Deutschland gehörigen Gebiete des Frankenreichs lagen im östlichen Teilreich Austrasien. Unter den Merowingern kam es allerdings wiederholt zu dynastischen Konflikten.

     
    Die Gebietsaufteilung im Vertrag von Verdun, 843

    Mitte des 8. Jahrhunderts trat im Frankenreich Pippin der Jüngere aus der Dynastie der Karolinger die Königsnachfolge der bis dahin herrschenden Merowinger an. Nach der Unterwerfung und Zwangsmissionierung der Sachsen und Eroberungen in Italien, Nordspanien und im östlichen Grenzraum unter Karl dem Großen wurde das Vielvölkerreich neu organisiert. Kirchenorganisation und Kulturförderung knüpften partiell an römische Traditionen an (Karolingische Renaissance). Zu Weihnachten 800 ließ sich Karl vom Papst in Rom zum Kaiser krönen und erhob damit Anspruch auf die Nachfolge des Römischen Reiches (Translatio imperii), was zur Konkurrenz mit den byzantinischen Kaisern führte (Zweikaiserproblem). Nach Karls Tod 814 kam es zu Kämpfen unter seinen Nachkommen, die 843 im Vertrag von Verdun zur Dreiteilung des Reiches in das Ostfrankenreich unter „Ludwig dem Deutschen“, das Westfrankenreich und Lotharingien führten.[7]

    Im ostfränkischen Reich bildeten sich um 900 fünf große Herzogtümer heraus, nämlich die Stammesherzogtümer Sachsen, Baiern, Schwaben, Franken und Lothringen. Im 10. Jahrhundert starb die karolingische Dynastie in West- wie auch in Ostfranken aus, beide Reichsteile blieben politisch fortan getrennt. Die Schlacht auf dem Lechfeld beendete 955 jahrzehntelange Ungarneinfälle, führte zu einem Prestigegewinn König Ottos, der 962 in Rom zum Kaiser gekrönt wurde, und zur Zuordnung des Erzengels Michael als Schutzpatron der Deutschen.

    Vom Ostfrankenreich zum Heiligen Römischen Reich (962–1806)
     
    Das Reichsgebiet im 10. Jahrhundert (rot umrandet)

    Die Dynastie der Ottonen war für die Ausformung des Ostfrankenreichs wesentlich, sie gilt aber nicht mehr als Beginn der eigentlichen „deutschen“ Reichsgeschichte. Der damit verbundene Prozess zog sich vielmehr mindestens bis ins 11. Jahrhundert hin.[8] Der Begriff regnum Teutonicorum („Königreich der Deutschen“) findet sich erstmals zu Beginn des 11. Jahrhunderts in den Quellen, er war aber nie Titel des Reiches (Imperium), sondern diente den Päpsten zur Relativierung des Herrschaftsanspruchs der römisch-deutschen Könige.[9]

    Im Jahr 951 nahm Otto I. die langobardische Königswürde an. Dies verband das Regnum Teutonicum mit Reichsitalien. 962 wurde Otto zum Kaiser gekrönt, damit vereinte er die römisch-deutsche Königswürde mit dem Anspruch auf das westliche „römische“ Kaisertum (Reichsidee). Dieses römisch-deutsche Reich nahm unter den Ottonen eine hegemoniale Stellung im westlichen Europa ein. 1024 traten die Salier die Königsnachfolge an, die bis zum Ende des Mittelalters stets an eine Wahl durch verschiedene Große des Reichs gekoppelt war.

    Die Art und Weise, wie weltliche und geistliche Macht miteinander verzahnt wurden, nennt man heute teilweise „Reichskirchensystem“. Die Frage, wer Bischöfe einsetzen durfte, führte zum Investiturstreit mit dem reformierten Papsttum, zum Gang nach Canossa 1077 und zur Zwischenlösung des Wormser Konkordats 1122. Einen Höhepunkt erreichte die Auseinandersetzung zwischen Kaiser und Papst in staufischer Zeit, insbesondere unter Friedrich II. Er gab im deutschen Reichsteil viele Regalien auf. Mit seinem Tod 1250 brach die staufische Königsherrschaft zusammen; das folgende Interregnum vergrößerte die Macht der Fürsten. Das Kaisertum bestand als politischer Ordnungsfaktor fort, verlor aber auf europäischer Ebene zunehmend an Einflussmöglichkeiten.

    Der Aachener Dom diente bis 1531 als Krönungsstätte für 31 deutsche Herrscher. Der dortige Königsthron (rechts) wurde in den 790er-Jahren für Karl den Großen errichtet. 
    Der Aachener Dom diente bis 1531 als Krönungsstätte für 31 deutsche Herrscher. Der dortige Königsthron (rechts) wurde in den 790er-Jahren für Karl den Großen errichtet. 
    Der Aachener Dom diente bis 1531 als Krönungsstätte für 31 deutsche Herrscher. Der dortige Königsthron (rechts) wurde in den 790er-Jahren für Karl den Großen errichtet.

    In Form der Territorialstaaten verselbstständigten sich zahlreiche Feudalherrschaften zu Lasten der königlich-kaiserlichen Macht, die aber nie stark ausgeprägt gewesen und deshalb auf konsensuale Herrschaft mit den Großen des Reiches angewiesen war. Kaiser Heinrich VI. war Ende des 12. Jahrhunderts mit dem Versuch gescheitert, durch den Erbreichsplan die Erbmonarchie einzuführen. Während sich das Westfrankenreich zum französischen Zentralstaat entwickelte, blieb das ostfränkische oder römisch-deutsche Reich durch Landesherren und das Recht der Königswahl geprägt.

    In der Mitte des 13. Jahrhunderts setzte sich im Heiligen Römischen Reich – die Bezeichnung Sacrum Imperium (Heiliges Reich) wurde bereits 1157 gebraucht, Sacrum Imperium Romanum (Heiliges Römisches Reich) ist erstmals urkundlich gesichert 1184 belegt (die ältere Forschung ging von 1254 aus)[10] – die Auffassung durch, dass einem Kollegium von Kurfürsten die Wahl des Königs zustehe, was durch die Goldene Bulle 1356 verbindlich festgeschrieben wurde. Bis zu seinem Ende 1806 blieb das Reich somit formal eine Wahlmonarchie. Obwohl die Kaiser wiederholt versuchten, ihre Position zu stärken, blieb das Reich ein supranationaler Verband vieler verschieden großer Territorien sowie Reichsstädte.

    Das spätmittelalterliche 14. und 15. Jahrhundert war vom Wahlkönigtum geprägt: Drei große Familien – die Habsburger, die Luxemburger und die Wittelsbacher – verfügten über den größten Einfluss im Reich und über die größte Hausmacht. Als bedeutendster König gilt Karl IV., der eine geschickte Hausmachtpolitik betrieb. Trotz Krisen wie der Pest (Schwarzer Tod), der Agrarkrise und des abendländischen Schismas florierten die Städte und der Handel; es begann der Übergang in die Renaissance. Im Reich traten die Habsburger das Erbe der Luxemburger an, die 1437 in männlicher Linie ausstarben, und stellten bis zum Ende des Reichs fast kontinuierlich die römisch-deutschen Herrscher. Durch geschickte Politik sicherten sich die Habsburger zusätzliche Territorien im Reich und sogar die spanische Königskrone: Habsburg stieg damit zur europäischen Großmacht auf.

     
    Das Heilige Römische Reich im Jahr 1648 nach Abschluss des Westfälischen Friedens

    An der Wende zum 16. Jahrhundert betrieb Kaiser Maximilian I. eine umfassende Reichsreform, die den Reichstag, die Gerichtsbarkeit (Schaffung von Reichskammergericht und Reichshofrat) und die innere Ordnung durch den Ewigen Landfrieden und die Einteilung in Reichskreise stärkte. Durch das Scheitern des Gemeinen Pfennigs und des Reichsregiments blieb die Reform aber unvollständig. Ab 1519 verfolgte Kaiser Karl V., zugleich spanischer König mit überseeischem Kolonialreich, das Konzept einer Universalmonarchie. Seine Vorherrschaft in Europa begründete den jahrhundertelangen habsburgisch-französischen Gegensatz.

    Im Jahr 1517 stieß Martin Luther durch Forderungen nach innerkirchlichen und theologischen Reformen und eine anti-päpstliche Haltung die Reformation an, was zur Herausbildung „protestantischer“ Konfessionen führte. Der Katholizismus reagierte mit der Gegenreformation, doch behaupteten sich die neuen evangelischen Kirchen in weiten Teilen des Reiches. Der Augsburger Religionsfrieden 1555 schaffte einen vorläufigen Ausgleich: Die Landesherren durften bestimmen, welche Konfession für ihre Untertanen galt (Cuius regio, eius religio).

    Konfessionelle und machtpolitische Gegensätze lösten den Dreißigjährigen Krieg (1618–1648) mit vielen Todesopfern und verheerten Landschaften aus, beendet durch den Westfälischen Frieden, der den Einfluss der Territorien gegenüber dem Kaiser stärkte und festschrieb (siehe Jüngster Reichsabschied). Die Reichsfürsten durften nunmehr eigene Truppen aufstellen und konnten mit auswärtigen Mächten Verträge abschließen. Das Reich wurde dadurch de facto zu einem Staatenbund, de jure blieb es ein monarchisch geführtes und ständisch geprägtes Herrschaftsgebilde. Ab 1663 wandelte sich der Reichstag zu einem permanenten Gesandtenkongress (Immerwährender Reichstag), der in Regensburg tagte.

    Im Rahmen seiner Reunionspolitik führte Ludwig XIV. den Pfälzischen Erbfolgekrieg. Frankreich wirkte als Vorbild des Absolutismus, der im Reich nicht die königliche Zentralgewalt, sondern einzelne Fürstentümer zu bürokratisch organisierten Staaten werden ließ. Manche Herrscher, insbesondere Friedrich II. von Preußen, öffneten sich dem philosophischen Zeitgeist und führten Reformen durch (Aufgeklärter Absolutismus). Der politische Aufstieg Preußens im 18. Jahrhundert führte zum Dualismus mit dem Hause Habsburg. Nach der Französischen Revolution besetzten deren Truppen das linke Rheinufer. Nach dem Sieg Napoleon Bonapartes im Zweiten Koalitionskrieg kam es 1803 zum Reichsdeputationshauptschluss. 1806 legte der letzte Kaiser Franz II. die Krone nieder, womit das Reich erlosch.

    Rheinbund, Deutscher Bund, Norddeutscher Bund (1806–1871)
    → Hauptartikel: Rheinbund, Deutscher Bund, Deutsche Revolution 1848/1849 und Norddeutscher Bund
     
    Der Deutsche Bund 1815–1866

    Unter Napoleons Einfluss war zwischen 1801 und 1806 die Anzahl der Staaten im Gebiet des „Alten Reiches“ von etwa 300 auf etwa 60 verringert worden. Frankreich annektierte den deutschen Westen und Nordwesten und schuf deutsche Vasallenstaaten, deren Throne Napoleon mit Familienangehörigen besetzte (Großherzogtum Berg, Königreich Westphalen, Großherzogtum Frankfurt). Einige deutsche Staaten baute Napoleon zu Bündnispartnern auf, vor allem das 1805 im Frieden von Pressburg neugeschaffene Königreich Bayern, Württemberg und Baden, indem er sie um die Gebiete der säkularisierten und mediatisierten Kleinstaaten erweiterte und in dem mit Frankreich verbündeten Rheinbund vereinigte. Dieser folgte mit den von Napoleon besiegten Gegnern Preußen und Österreich dem dadurch dreigeteilten, als Machtfaktor ausgeschalteten Heiligen Römischen Reich nach. Die „Franzosenzeit“ brachte den Rheinbundstaaten erhebliche Modernisierungsanstöße, unter anderem bürgerliche Freiheiten, durch die Einführung des Zivilrechtsbuchs Code civil. Auch in Preußen wurden ab 1806 tiefgreifende Reformen unternommen, um aus Untertanen Staatsbürger (vgl. Citoyen) und den Staat wieder handlungs- und wehrfähig zu machen.

    Ab 1809 regte sich Widerstand gegen französische Besatzung und Herrschaft; diverse Aufstände, etwa von Andreas Hofer in Tirol und Ferdinand von Schill in Preußen, wurden zunächst niedergeschlagen. Nach Napoleons Niederlage im Russlandfeldzug 1812 begannen Preußen und Österreich im Bündnis mit dem Russischen Reich die Befreiungskriege (1813–1815), die das deutsche Nationalgefühl stärkten, zunächst unter protestantischen Akademikern, etwa im Lützower Freikorps, das auch als Ursprung der Farben Schwarz-Rot-Gold gilt.[11] Die meisten Rheinbundstaaten schlossen sich den Verbündeten an, die nach dem Sieg bei der Leipziger Völkerschlacht 1813 Napoleon bis 1815 endgültig besiegten.

    Anschließend restaurierte der Wiener Kongress (1814–1815) weitgehend die monarchische Herrschaft. Im Deutschen Bund, einem von Österreich und Preußen dominierten Staatenbund, organisierten sich 38 Staaten (→ Drittes Deutschland) mit dem Frankfurter Bundestag als Entscheidungsgremium. 1833/1834 wurde der Deutsche Zollverein unter preußischer Vormacht geschaffen. Im Vormärz unterdrückte die alte Herrschaftselite das wirtschaftlich erstarkende Bürgertum (Demagogenverfolgung), das weiter politische Teilhabe und die Bildung eines Nationalstaats forderte, so 1817 beim studentischen Wartburgfest und 1832 beim Hambacher Fest mit dem Hissen von Schwarz-Rot-Gold, den späteren Nationalfarben.

     
    Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche, 1848/49: das erste frei gewählte deutsche Parlament
     
    1867: Der Norddeutsche Bund

    Mit der bürgerlichen Märzrevolution 1848 mussten viele konservative Politiker abtreten, unter ihnen der epochenprägende österreichische Staatskanzler Fürst Metternich. Unter dem Revolutionsdruck in Berlin akzeptierte der Deutsche Bundestag die Wahl der Frankfurter Nationalversammlung. Sie richtete eine Regierung ein und erließ die Paulskirchenverfassung, die einen deutschen Nationalstaat als „Deutsches Reich“ mit konstitutioneller Monarchie beinhaltete.

    Doch der preußische König Friedrich Wilhelm IV. lehnte die ihm angetragene Kaiserkrone ab. Nach Niederschlagung des Maiaufstands endete die Revolution am 23. Juli 1849 mit der Einnahme der Festung Rastatt durch preußische Truppen. Das Scheitern der demokratischen Bewegung führte zu Flucht und Auswanderung der Forty-Eighters und zu einer Reaktionsära in den deutschen Staaten.

    Anfang der 1860er Jahre brach der Konflikt Preußens mit Österreich um die Vormacht im Deutschen Bund auf (deutscher Dualismus), der in Preußens Sieg im Deutschen Krieg 1866 endete. Der Deutsche Bund wurde aufgelöst, Preußen annektierte etliche Gebiete nord- und mitteldeutscher Kriegsgegner. 1866 wurde unter Vorherrschaft Preußens der Norddeutsche Bund zunächst als Militärbündnis gegründet. Seine Verfassung von 1867 machte ihn zum souveränen Bundesstaat und leitete die kleindeutsche Lösung ein – also die Bildung eines deutschen Gesamtstaats ohne Österreich.

    Deutsches Kaiserreich (1871–1918)
     
    Die Proklamierung des deutschen Kaiserreiches 1871, Gemälde Anton von Werners

    Im Deutsch-Französischen Krieg traten die süddeutschen Staaten dem Norddeutschen Bund bei (1. Januar 1871). Dieser wurde so zum Nationalstaat für ganz Deutschland. Am 18. Januar 1871 nahm der preußische König Wilhelm I. in Versailles den Kaisertitel an, den er mit der neuen Verfassung erhalten hatte. Dies wurde später als Reichsgründungstag gefeiert.

     
    Deutsches Kaiserreich 1871–1918, Landkarte

    Otto von Bismarck, seit 1862 preußischer Ministerpräsident, hatte die Reichsgründung betrieben und wurde erster Reichskanzler. Die Bismarcksche Reichsverfassung stützte die Macht der konstitutionellen Monarchie, war aber auch auf Modernisierung ausgelegt und ambivalent; Gesetze zur Schule und Zivilehe waren teils liberal. Für den Reichstag galt ein allgemeines Wahlrecht (für Männer). Gegen die katholische Kirche führte Bismarck den Kulturkampf, gegen die Sozialdemokratie erließ er ab 1878 die Sozialistengesetze und versuchte, die Arbeiter durch eine Sozialgesetzgebung an den Staat zu binden. Die Hochindustrialisierung in Deutschland sorgte für Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum, Landflucht und eine breite Steigerung des Lebensstandards; Deutschland stieg zur größten Volkswirtschaft Europas auf.

    Die Bündnispolitik Otto von Bismarcks zielte auf die Isolierung Frankreichs mit Deutschland als halbhegemonialer Macht in der Mitte Europas. Nachdem deutsche Kaufleute und Vereine private Kolonialpolitik betrieben hatten, eignete sich das Reich 1884 afrikanische Gebiete an. Diese deutschen Kolonien wurden als „Schutzgebiete“ bezeichnet. Neben Kolonialbegeisterung gab es allerdings auch Skepsis und Ablehnung, zeitweise sogar von Bismarck. Die Gebiete wurden ausgebeutet; teilweise begingen die deutschen Kolonialherren Verbrechen an den Einheimischen (siehe zum Beispiel Völkermord an den Herero und Nama, 1904–1908).

    Im „Dreikaiserjahr“ 1888 wurde Wilhelm II. Kaiser. Er forderte für das wirtschaftlich und militärisch aufgestiegene Deutsche Reich die Anerkennung der bisherigen Großmächte („Platz an der Sonne“) und bemühte sich um neue Kolonien und Flottenaufbau im Imperialismus. Großbritannien schloss allerdings in einem neuen Bündnissystem (Triple Entente) statt Frankreich nun Deutschland aus.

    Spannungen zwischen den Großmächten lösten 1914 den Ersten Weltkrieg aus, einen verlustreichen Mehrfrontenkrieg; mehr als zwei Millionen deutsche Soldaten starben, rund 800.000 Zivilisten verhungerten. Auch in anderen Ländern führte der Krieg zu vielen Toten und politischen Umwälzungen.

    Weimarer Republik (1919–1933)
     
    Deutsches Reich 1919–1937

    Mit der Novemberrevolution und der Ausrufung der Republik am 9. November 1918 endete das Deutsche Kaiserreich, das mit seiner Kapitulation die Niederlage im Ersten Weltkrieg einräumte. Nach der Wahl der verfassunggebenden Nationalversammlung – bei der erstmals Frauen aktiv und passiv wahlberechtigt waren – trat die Weimarer Verfassung am 14. August 1919 in Kraft. Im Friedensvertrag von Versailles wurden erhebliche Gebietsabtretungen, die Alliierte Rheinlandbesetzung und Reparationen auf Grundlage einer festgeschriebenen deutschen Alleinschuld am Krieg bestimmt. Diese Ausgangslage belastete das politische Klima; Rechtsextreme verbreiteten die Dolchstoßlegende gegen die „Novemberverbrecher“, was zu politischen Morden und Putschversuchen führte (Kapp-Putsch 1920 und Hitlerputsch 1923). Auch kommunistische Aufstände wie der Ruhraufstand 1920, die Märzkämpfe in Mitteldeutschland 1921 und der Hamburger Aufstand 1923 sorgten für Instabilität. Unzureichende Reparationsleistungen nahmen Belgien und Frankreich zum Anlass der Ruhrbesetzung von 1923 bis 1925.

     
    Philipp Scheidemann ruft vom Reichstagsgebäude am 9. November 1918 die Republik aus.

    In den kurzen „goldenen Zwanzigern“ blühte die Kultur und ab 1924 auch die Konjunktur. Berlin war mit über vier Millionen Einwohnern die drittgrößte und eine der dynamischsten Städte der Welt. Die Prosperität endete 1929 mit der Weltwirtschaftskrise, auf deren Höhepunkt 1932 es in Deutschland mehr als sechs Millionen Arbeitslose gab, die größtenteils in Elend lebten. Radikale Parteien fanden starken Zulauf, sodass es für die gemäßigten Parteien zunehmend schwieriger wurde, stabile Regierungen zu bilden. Nach dem Erdrutschsieg der Nationalsozialisten bei der Reichstagswahl 1930 verfügten die in rascher Folge wechselnden Reichskanzler über keine parlamentarische Mehrheit mehr; ihre Präsidialkabinette waren vom Reichspräsidenten Paul von Hindenburg und dessen Notverordnungen abhängig. Die Deflationspolitik des Reichskanzlers Heinrich Brüning verschärfte die wirtschaftliche Krise. Dessen Nachfolger Franz von Papen (Juni–November 1932) unterstellte die demokratische Regierung Preußens einem Reichskommissar (Preußenschlag) und ließ Neuwahlen abhalten, bei denen die Nationalsozialisten noch stärker wurden.

    Reichskanzler Kurt von Schleicher versuchte durch eine „Querfront“ von Gewerkschaften und Teilen der Nationalsozialisten eine Machtübernahme Adolf Hitlers zu verhindern, von Papen aber überredete den widerwilligen Hindenburg, Hitler am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler zu ernennen. Am 27. Februar kam es zum – bis heute unaufgeklärten – Reichstagsbrand, den Hitler zur „Reichstagsbrandverordnung“ nutzte, mit der auf unbestimmte Zeit die Grundrechte außer Kraft gesetzt wurden. Die folgenden Massenverhaftungen politischer Gegner, insbesondere von Kommunisten und Sozialdemokraten, prägten die Reichstagswahl 1933, bei der die NSDAP die absolute Mehrheit knapp verfehlte und mit der reaktionären DNVP weiterregierte. Die endgültige Machtübernahme erfolgte fünf Tage später, als der Reichstag mit den Stimmen der bürgerlichen Parteien, allein gegen die Stimmen der SPD, das Ermächtigungsgesetz verabschiedete und damit Hitlers Regierung auch die Gesetzgebung überließ.

    Nationalsozialistische Diktatur (1933–1945)
     
    Großdeutsches Reich mit besetzten Gebieten, 1943–1945

    Die NSDAP errichtete im Deutschen Reich innerhalb kürzester Zeit einen totalitären Einparteienstaat unter Führung Adolf Hitlers und der Gleichschaltung der Institutionen. Missliebige Personen und politische Gegner, insbesondere Kommunisten, Sozialdemokraten und Gewerkschafter, wurden aus allen Behörden entfernt, erste Konzentrationslager wurden errichtet, Bücher verbrannt[12] und missliebige Kunst als „entartet“ diffamiert. NS-Propaganda durchdrang auch das Privatleben; bereits auf Kinder wurde Druck ausgeübt, den Parteiorganisationen beizutreten. Im Oktober 1933 verkündete Hitler den Austritt Deutschlands aus dem Völkerbund. Er sicherte seine Herrschaft im Inneren, indem er auch innerparteiliche Gegner und ehemalige Weggefährten ermorden ließ, insbesondere während der Röhm-Morde am 30. Juni 1934, als die SA zugunsten der ihm bedingungslos ergebenen SS entmachtet wurde. Die Generalität der Reichswehr legte auf ihn persönlich den Führereid ab. Die Gestapo wurde als politische Polizei zur Bekämpfung der politischen und ideologischen Gegner eingesetzt.

    Von Beginn an hatte Hitler zwei Ziele, einen Angriffs- und Vernichtungskrieg zur Schaffung von „Lebensraum im Osten“ und die Verfolgung der Juden, die mit Diskriminierung, Demütigung und Ausgrenzung begann und als „Endlösung der Judenfrage“ im Holocaust endete. 1934 begann die Aufrüstung der Wehrmacht. Eine enthemmt expansive Geldpolitik und Schuldenwirtschaft waren auf baldige Kriegsführung ausgerichtet. Mit dem Reinhardt-Programm wurde die Arbeitslosigkeit gesenkt; dies wurde von der Bevölkerung als Einlösung wirtschaftlicher Versprechen begrüßt. Die deutschen Juden wurden immer schlechter gestellt; die Nürnberger Gesetze 1935 bestraften Beziehungen zwischen „Ariern“ und Juden als „Rassenschande“ schwer. Juden verloren alle öffentlichen Ämter, wurden willkürlich verfolgt, bestohlen und erpresst und schließlich mit einem völligen Berufsverbot belegt, jüdische Vermögen arisiert. Immer häufiger wurden auch Juden in Konzentrationslager eingewiesen. Viele fassten den Entschluss zur Emigration, die meisten aber blieben in Deutschland.

     
    Foto vom Torhaus des Vernich­tungs­lagers Auschwitz-Birkenau, Ansicht von innen, 1945 (Aufnahme: Stanisław Mucha)
     
    Zerstörtes Köln am Ende des Bombenkrieges, April 1945

    Die rassistische NS-Ideologie zur Schaffung einer „gesunden“ „Volksgemeinschaft“ (vgl. Herrenrasse) richtete sich gegen zwei weitere Gruppen, Roma und Slawen als „Untermenschen“. Nicht als „fremdrassig“, aber als die „Gesundheit“ des „Volkskörpers“ bedrohend, drangsalierten und ermordeten sie auch Homosexuelle, Behinderte und „Asoziale“. Zugleich feierte das Regime Propagandaerfolge; 1936 verbesserten die Olympischen Spiele das Ansehen im Ausland, das entmilitarisierte Rheinland wurde besetzt. Die Expansion begann mit dem erzwungenen Anschluss Österreichs im März 1938, woraufhin Deutschland als Großdeutsches Reich bezeichnet wurde. Das Münchner Abkommen im Oktober 1938 besiegelte die Annexion des Sudetenlandes. Mit der Zerschlagung der Tschecho-Slowakischen Republik im März 1939 brach Hitler sein Versprechen, das Sudetenland sei seine letzte territoriale Forderung. Damit wurde klar, dass die Appeasement-Politik der Westmächte gegenüber Deutschland ein Fehler gewesen war.

    Nachdem das Deutsche Reich am 1. September 1939 den Überfall auf Polen begonnen hatte, erklärten Großbritannien, Kanada, Australien, Indien, Neuseeland, Südafrika und Frankreich Deutschland den Krieg. Der Zweite Weltkrieg forderte in sechs Jahren etwa 55 bis 60 Millionen Tote. Deutschland gelangen zunächst einige als „Blitzkrieg“ bezeichnete militärische Erfolge. Polen wurde im Nichtangriffspakt zwischen Hitler und Stalin aufgeteilt, die Wehrmacht warf anschließend ihre Armeen nach Westen, überfiel in der „Weserübung“ Dänemark und Norwegen und im „Westfeldzug“ die neutralen Staaten Luxemburg, Belgien und Niederlande und besetzte 1940 innerhalb von sechs Wochen große Teile Frankreichs. Hitlers Popularität erreichte ihren Höhepunkt.

    Im Kriegsverlauf verschärfte das Dritte Reich die Judenverfolgung. Ihre Ausreise wurde verboten und viele starben wegen unzureichender Versorgung und Seuchen bei der Zwangsarbeit. Ab 1941 mussten sie den „Judenstern“ tragen und im gesamten deutschen Machtbereich begann ihre systematische Ermordung. Die mit der Ausführung vor allem beauftragte SS errichtete auf ehemals polnischem oder sowjetischem Gebiet Vernichtungslager, in denen die meisten Opfer, in Viehwaggons herangebracht, sofort vergast wurden (siehe Aktion Reinhardt). Allein in den Gaskammern und Krematorien der Konzentrationslager Auschwitz wurden über eine Million Menschen ermordet. Insgesamt beläuft sich die Zahl der ermordeten Juden auf 6,3 Millionen.

    Mit dem Unternehmen Barbarossa begann am 22. Juni 1941 der (Russlandfeldzug 1941–1945). Das deutsche Heer marschierte auf die sowjetische Hauptstadt vor und wurde in der Schlacht um Moskau im Dezember 1941 gestoppt. Nachdem der Kriegsverbündete Japan (→ Achsenmächte) im selben Monat die amerikanische Marine im Angriff auf Pearl Harbor überfallen hatte, erklärte Deutschland auch den Vereinigten Staaten den Krieg. Mangelnde Ressourcen und die Übermacht des Gegners ließen bald die Kriegswende eintreten, die sich in der verlorenen Schlacht von Stalingrad mit der völligen Aufreibung der deutschen 6. Armee manifestierte. Je unvermeidlicher die Niederlage wurde, desto härter wurde die Politik nach innen geführt. In seiner Sportpalastrede vom 18. Februar 1943 proklamierte Joseph Goebbels den „totalen Krieg“, während die deutschen Armeen an fast allen Fronten zurückwichen und zahlreiche deutsche Städte durch den Bombenkrieg zerstört wurden. Als sowjetische Armeen in der Schlacht um Berlin die Hauptstadt schon eingenommen hatten, nahm sich Hitler am 30. April 1945 im Führerbunker das Leben. Die bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht folgte am 8. Mai, die letzte Reichsregierung wurde im Sonderbereich Mürwik bei Flensburg am 23. Mai 1945 verhaftet. Überlebende politische, militärische und wirtschaftliche Hauptverantwortliche wurden wegen ihrer individuellen Verantwortung an Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in den Nürnberger Prozessen angeklagt.

    Alliierte Besatzung (1945–1949)
     
    Die vier Besatzungszonen gemäß Potsdamer Abkommen, das Saarprotektorat und die unter polnische und sowjetische Verwaltung gestellten Ostgebiete
     
    Die Teilnehmer der Potsdamer Konferenz, 1945

    Deutschland wurde in den Grenzen vom 31. Dezember 1937 aufgeteilt; am 5. Juni 1945 legten die vier Siegermächte – USA, UdSSR, Großbritannien und schließlich auch Frankreich – Besatzungszonen fest und übten sodann westlich der Oder-Neiße-Linie die Hoheitsgewalt in ihrer jeweiligen Zone und gemeinsam mittels einer Alliierten Kommandantur über Groß-Berlin aus. Die deutschen Ostgebiete, ein Viertel der Reichsfläche, bewohnt von einem Fünftel der Reichsbevölkerung, waren bereits vor Kriegsende nach ihrer Eroberung durch die Rote Armee der Verwaltung der Volksrepublik Polen und im nördlichen Ostpreußen jener der Sowjetunion unterstellt worden (Oblast Kaliningrad). Auf Betreiben Stalins billigten die Westmächte dies im Potsdamer Abkommen wie auch die begonnene Vertreibung der Deutschen aus Mittel- und Osteuropa. Die Republik Österreich wurde in den Grenzen von 1938 wiederhergestellt und ebenfalls in vier Besatzungszonen aufgeteilt. 1946/1947 wurde das Saarland aus dem Besatzungsgebiet ausgegliedert und unter direkte französische Verwaltung gestellt.

    Die Vier Mächte bemühten sich anfangs noch um eine gemeinsame Besatzungspolitik. Einig war man sich über eine Demilitarisierung, Entnazifizierung und Zerschlagung der Kartelle; schon bei der Frage, was unter Demokratie zu verstehen sei, zeigten sich Differenzen zwischen der Sowjetunion und den Westmächten, die sich im beginnenden Kalten Krieg verschärften. In den drei Westzonen stellten die Westalliierten die für den Wiederaufbau bedeutende Montanindustrie unter das Ruhrstatut. Mit der Währungsreform im Juni 1948 und der zeitgleichen Aufhebung der Preisbindung und Bewirtschaftung setzte der Wirtschaftsdirektor der Westzonen Ludwig Erhard eine vor allem psychologisch bedeutsame wirtschaftliche Zäsur; mit der wenige Tage später folgenden Währungsreform in der sowjetisch besetzten Zone Deutschlands und der Berlin-Blockade durch die UdSSR vertiefte sich die Trennung zwischen Ost und West.

    Bundesrepublik Deutschland und DDR (1949–1990)
     
    Deutschland entsprechend der ab 1958 von der Sowjetunion und der DDR vertretenen Drei-Staaten-Theorie, die sich nicht durchgesetzt hat: Bundesrepublik, West-Berlin und DDR

    Die Bundesrepublik Deutschland wurde am 23. Mai 1949 in den drei westlichen Besatzungszonen gegründet und das Grundgesetz als provisorische Verfassung in Kraft gesetzt, dessen Präambel für eine Übergangszeit ein Wiedervereinigungsgebot enthielt; Bonn wurde Regierungssitz. In der sowjetischen Besatzungszone wurde viereinhalb Monate später die Deutsche Demokratische Republik gegründet. Beide Teilstaaten sahen sich jeweils in Kontinuität eines gesamtdeutschen Staates und erkannten den jeweils anderen nicht an.[13] Beide blieben unter Kontrolle der Besatzungsmächte. Mit der Integration in die entgegengesetzten Militärbündnisse von NATO und Warschauer Vertrag erhielten sie 1955 ihre formale Unabhängigkeit (siehe Pariser Verträge, Souveränitätserklärung der UdSSR für die DDR). Voraussetzung dafür war, dass im Juli 1951 die drei Westmächte die formelle Beendigung des Kriegszustandes mit Deutschland beschlossen; die Sowjetunion erklärte dies erst im Januar 1955, worauf weitere Staaten im östlichen Europa folgten.[14] Den Alliierten verblieben die Verantwortung für Deutschland als Ganzes und ihre Rechte in Berlin.

    Während in der DDR eine staatlich gelenkte Planwirtschaft aufgebaut wurde, entschied sich die Bundesrepublik für die so genannte soziale Marktwirtschaft mit geringem staatlichem Einfluss. Die sowjetische Besatzungsmacht sorgte mit hohen Reparationsforderungen (vor allem Demontagen) für schwierige Startbedingungen auf dem Gebiet der DDR, während in der Bundesrepublik mit ausländischer Hilfe (Marshallplan) ein „Wirtschaftswunder“ einsetzte, das zu anhaltend hohen Wachstumsraten, Vollbeschäftigung und Wohlstand führte.

    Im Westen orientierte man sich beim Neu- und Wiederaufbau der Städte an der Charta von Athen (CIAM) von 1933, während im Osten die nach sowjetischem Vorbild entwickelten 16 Grundsätze des Städtebaus verbindlich wurden. Im Ergebnis folgte der Wiederaufbau in beiden deutschen Staaten dennoch dem Leitbild der autogerechten Stadt. Wohnen und Gewerbe wurden damit häufig voneinander getrennt. Fortan wurden auch zahlreiche suburbane Satellitenstädte („Schlafstädte“) geplant. Diese Art der Stadtentwicklung wurde bereits früh als verfehlt erkannt.[15]

     
    Die Berliner Mauer am Bethaniendamm in Berlin-Kreuzberg (West-Berlin), 1986
     
    Bornholmer Straße in Westberlin am 10. November 1989. Einen Tag nach dem Fall der Mauer bereitet ein Spalier Besuchern aus der DDR einen ersten Empfang.

    Der Eiserne Vorhang durch Mitteleuropa teilte auch Deutschland; die fortgesetzte Auswanderung besonders Junger und Hochqualifizierter ließ die DDR die innerdeutsche Grenze zunehmend abriegeln, bis sie 1961 unter dem langjährigen SED-Generalsekretär Walter Ulbricht durch den Bau der Berliner Mauer vollständig geschlossen wurde, was selbst familiäre Kontakte zwischen West- und Ostdeutschland stark erschwerte. Wer die Republikflucht trotzdem versuchte, wurde gewaltsam aufgehalten (siehe Schießbefehl, Grenz- und Mauertote).

    Außenpolitisch setzte der langjährige Bundeskanzler Konrad Adenauer für die teilsouveräne Bundesrepublik die Westintegration und die Beteiligung am wirtschaftlichen Zusammenschluss Westeuropas durch, der mit der Montanunion 1952 begann. Der Élysée-Vertrag 1963 begründete die deutsch-französische Freundschaft als Motor der europäischen Integration. Die DDR wurde im September 1950 Vollmitglied im östlichen Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW).

    Im Innern der DDR wurde durch die Staatspartei SED und durch Massenorganisationen wie die FDJ der Sozialismus verbindlich festgeschrieben; freie Wahlen gab es nicht mehr, der Aufstand vom 17. Juni 1953 wurde niedergeschlagen. Abweichende Meinungen wurden durch Zensur und die umfassende Überwachung der Geheimpolizei Staatssicherheit verfolgt; dagegen bildete sich Protest in einer Dissidenten- und Bürgerrechtlerbewegung, die sich durch die Ausbürgerung Wolf Biermanns 1976 radikalisierte. In der sich durch Westernisierung liberalisierenden Bundesrepublik verstärkten sich Forderungen nach einem gesellschaftlichen Wandel und nach Vergangenheitsbewältigung, da die NS-Eliten weitgehend unbehelligt geblieben waren – insbesondere durch die westdeutsche Studentenbewegung der 1960er-Jahre. Gegen die 1966 gebildete Große Koalition mit ihren Notstandsgesetzen entstand eine außerparlamentarische Opposition. Die sozialliberale Koalition unter Willy Brandt baute ab 1969 den Sozialstaat und gesellschaftliche Freiheiten aus; die auf Entspannung mit Osteuropa zielende „Neue Ostpolitik“ brachte Brandt 1971 den Friedensnobelpreis und Kritik von konservativer Seite ein.

    Im Jahr 1973 wurden Bundesrepublik und DDR Mitgliedstaaten der UNO. Die Planwirtschaft der DDR hatte neben zunehmenden Versorgungsproblemen (Mangelwirtschaft) mit der demographischen Entwicklung zu kämpfen, der der von 1971 bis 1989 regierende Erich Honecker durch massive Familienförderung begegnete. Die Frauen- und Familienpolitik der DDR gilt ebenso wie die erreichte soziale Gleichheit und Sicherheit als teilweise erfolgreich. Die 1970er Jahre waren in der Bundesrepublik durch steigende Verschuldung und Arbeitslosigkeit nach der Ölkrise und dem Terror der linksradikalen Rote Armee Fraktion geprägt. Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) verlor wegen seiner Unterstützung des NATO-Doppelbeschlusses – angegriffen von der Friedensbewegung, Teil der entstehenden Neuen Sozialen Bewegungen – den Rückhalt in seiner Partei und wurde 1982 von Helmut Kohl (CDU) abgelöst, der 1989 die Chance zur Wiedervereinigung Deutschlands ergriff.

    Die Unzufriedenheit der DDR-Bevölkerung war im ständigen, durch das Westfernsehen unterstützten Systemvergleich angewachsen. Ende der 1980er Jahre bildete sich mit der Reformpolitik Michail Gorbatschows in der Sowjetunion auch in der DDR eine Protestbewegung, die in der maroden DDR im Herbst 1989 durch eine Ausreisebewegung über den löchrig gewordenen Eisernen Vorgang und durch Massendemonstrationen die politische Führung unter Druck setzte („Wir sind das Volk“) und zum Rücktritt Honeckers führte. Am 9. November 1989 führte die Gewährung der Reisefreiheit durch die DDR-Führung zu einem Massenansturm und zur Öffnung der Grenzübertrittsstellen der Berliner Mauer. Kohl lenkte die Entwicklung ab seinem Zehn-Punkte-Programm Ende November in Richtung nationaler Einheit („Wir sind ein Volk“) unter Erhaltung der militärischen und politischen Westbindung. Bei der ersten freien Volkskammerwahl vom 18. März 1990 gewann das von der Ost-CDU geführte Parteienbündnis „Allianz für Deutschland“, das auf eine schnelle Wiedervereinigung setzte. Diese wurde in den nächsten Monaten im Einigungsvertrag und mit den Vertretern der Alliierten im Rahmen der „Zwei-plus-Vier-Gespräche“ ausgehandelt.

    Wiedervereinigtes Deutschland (seit 1990)
     
    Deutschlands Außengrenzen seit der Wiedervereinigung 1990; die innerstaatlichen Grenzen zeigen den Stand nach dem 29. Juni 1993.

    Die deutsche Wiedervereinigung wurde am 3. Oktober 1990 mit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland vollzogen; dieser Tag der Deutschen Einheit wurde Nationalfeiertag. Der 1991 in Kraft getretene Zwei-plus-Vier-Vertrag regelte die deutsche Frage abschließend: Die Vier Mächte gaben ihre Hoheitsbefugnisse auf, bis Ende 1994 verließen ihre Truppen das Land, das wiedervereinigte Deutschland erhielt seine volle staatliche Souveränität. Es verpflichtete sich zur Abrüstung auf maximal 370.000 Soldaten. Mit dem am 14. November 1990 in Warschau unterzeichneten deutsch-polnischen Grenzvertrag erkannte Deutschland die Oder-Neiße-Grenze an; das Territorium östlich davon wurde damit völkerrechtlich endgültig polnisch. Das wurde durch eine Politik der Aussöhnung mit den östlichen Nachbarn ergänzt, zuerst 1991 mit Polen, dann 1997 mit Tschechien. Außenpolitisch setzte sich die Regierung unter Bundeskanzler Kohl für eine vertiefte Integration mit Bildung der Europäischen Union, der anschließenden EU-Osterweiterung und der Euro-Einführung ein.

     
    Sozioökonomische Daten der 1990er-Jahre: Starker Bevölkerungsverlust und Massenarbeitslosigkeit in den neuen Bundesländern

    Der Bundestag machte 1991 Berlin zur Hauptstadt, in die Regierung und Parlament 1999 zogen (siehe Reichstagsgebäude und Regierungsviertel). Nach kurzem Wiedervereinigungboom waren die 1990er Jahre von wirtschaftlicher Stagnation, Massenarbeitslosigkeit und „Reformstau“ geprägt. Insbesondere die neuen Länder entwickelten sich nach der Einführung der Marktwirtschaft nicht so schnell wie erhofft („blühende Landschaften“). 1991 bis 1993 kam es zu einer Welle von Ausschreitungen gegen Asylbewerber. Erst in den 2000er-Jahren stabilisierten sich die neuen Länder sozial und wirtschaftlich.

    Bei der Bundestagswahl 1998 verlor Kohls schwarz-gelbe Koalition ihre Bundestagsmehrheit, die bisherigen Oppositionsparteien SPD und Bündnis 90/Die Grünen bildeten die erste rot-grüne Koalition unter Bundeskanzler Gerhard Schröder, die tiefgreifende Veränderungen in der Sozial-, Renten- und Gesundheitspolitik durchsetzte. Ökologie erhielt stärkeres Gewicht, etwa mit dem Beginn des Atomausstiegs. Zu den gesellschaftspolitischen Liberalisierungen zählten das Lebenspartnerschaftsgesetz und ein neues Staatsbürgerschaftsrecht. Der erste Kampfeinsatz deutscher Soldaten seit dem Zweiten Weltkrieg – 1999 im Kosovokrieg – markierte einen Wendepunkt der Außenpolitik. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 sicherte Schröder den USA die „uneingeschränkte Solidarität“ zu; Deutschland nahm am Krieg in Afghanistan teil, aber nicht am Irakkrieg, was den „Friedenskanzler“ Schröder populär machte.

    Die zweite Amtszeit Schröders ab 2002 war von der Agenda 2010 und damit verbunden den Arbeitsmarktreformen des Hartz-Konzepts geprägt. Sozialleistungen für Arbeitslose wurden reduziert und an individuelle Fördermaßnahmen gekoppelt, was von Betroffenen als ungerecht empfunden wurde. Dies führte zu deutschlandweiten Protesten und indirekt zu einer vorgezogenen Bundestagswahl 2005, worauf Angela Merkel (CDU) Bundeskanzlerin wurde. Ihre Große Koalition war mit dem Zusammenbruch von Banken während der Weltfinanzkrise und der folgenden Großen Rezession konfrontiert. Nach deren Überwindung erlebte Deutschland einen andauernden Wirtschaftsboom und einen nachhaltigen Rückgang der Arbeitslosigkeit. Eurokrise (ab 2010) und Flüchtlingskrise in Europa ab 2015 stellen seitdem die wichtigsten Herausforderungen der Politik dar, deren Bewältigung der Wirtschaftsboom wesentlich erleichtert. Beide Ereignisse führten jedoch auch zu erheblichen gesellschaftlichen Zerwürfnissen und zu einem Erstarken EU-skeptischer und islamfeindlicher Bewegungen (Pegida, Alternative für Deutschland). Mit der Legalisierung gleichgeschlechtlicher Ehen, der standesamtlichen Einführung eines dritten Geschlechts und der Einstellung der Einberufung zum Wehrdienst in der Bundeswehr strebte Deutschland nach weitergehender Liberalisierung seiner Gesellschaft.

    Angela Merkel beendete die letzte ihrer vier Amtszeiten während der COVID-19-Pandemie, auf die Deutschland mit vorübergehenden Einschränkungen des wirtschaftlichen, kulturellen und öffentlichen Lebens reagierte und ihre Bekämpfung mit nationalen Impfprogrammen, unter anderem mit dem neuartigen, in Deutschland entwickelten mRNA-Impfstoff Tozinameran, begann. Die überwiegende Mehrheit der Deutschen trug die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie mit. Jedoch wurden einerseits soziale und wirtschaftliche Verwerfungen innerhalb der deutschen Gesellschaft, des deutschen Gesundheitssystems sowie technologische Rückstände Deutschlands im Vergleich zu anderen westlichen Ländern durch die Pandemie offenkundig. Andererseits mobilisierten Protestbewegungen gegen die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie und sprachen dabei gezielt Ängste in der Bevölkerung in Bezug auf Impfungen an. Nach der Bundestagswahl 2021 wurde Merkel von Olaf Scholz (SPD) und die bis dahin in Koalitionen regierende CDU von einer rot-grün-gelben Koalition abgelöst. Mit ihr setzt sich die digitale Transformation Deutschlands sowie die wegen des Klimawandels begonnene Verkehrs- und Energiewende hin zu nachhaltigen Energieträgern fort.

    Der russische Überfall auf die Ukraine 2022 führte zu umfassenden Wirtschaftssanktionen des Westens gegen Russland, an denen sich auch Deutschland beteiligte. Unter anderem stoppte Deutschland die Inbetriebnahme der Gaspipeline Nord Stream 2. Die deutsche Wirtschaft, die sich von russischem Gas abhängig gemacht hatte, musste eine starke Teuerung im Energiesektor hinnehmen. Deutschland unterstützte die Ukraine innerhalb des ersten halben Jahres mit Waffen im Wert von mehreren Millionen Euro sowie der Ausbildung ukrainischer Soldaten.

    Vgl. einführend Walter Pohl: Die Germanen. 2. Auflage, München 2004, S. 3 ff. Dieter Timpe u. a.: Germanen, Germania, Germanische Altertumskunde. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde (RGA). 2. Auflage. Band 11, Walter de Gruyter, Berlin/New York 1998, ISBN 3-11-015832-9, S. 181–438. Zur komplexen Forschungslage der Völkerwanderung (eines problematischen Forschungsbegriffs, da in diesem Zusammenhang faktisch nie einheitliche „Völker“ migrierten, sondern zumeist recht heterogene Verbände) und der Auflösung Westroms (beschleunigt durch innerrömische Bürgerkriege) siehe nun vor allem Mischa Meier: Geschichte der Völkerwanderung. Europa, Asien und Afrika vom 3. bis zum 8. Jahrhundert. München 2019. Vgl. Peter Stachel: Identität. Genese, Inflation und Probleme eines für die zeitgenössischen Sozial- und Kulturwissenschaften zentralen Begriffs. In: Archiv für Kulturgeschichte 87 (2005), S. 395–425. Überblick bei Henning Börm: Westrom. 2. Auflage, Stuttgart 2018. Zur Entstehung dieser post-römischen Nachfolgereiche siehe etwa Mischa Meier: Geschichte der Völkerwanderung. Europa, Asien und Afrika vom 3. bis zum 8. Jahrhundert. München 2019; Chris Wickham: The Inheritance of Rome. London 2009; Herwig Wolfram: Das Römerreich und seine Germanen: Eine Erzählung von Herkunft und Ankunft. Wien/Köln/Weimar 2018. Umfassender Überblick etwa bei Johannes Fried: Der Weg in die Geschichte. Die Ursprünge Deutschlands bis 1024. Berlin 1994. Zu den unterschiedlichen Forschungsansätzen siehe Joachim Ehlers: Die Entstehung des Deutschen Reiches. 4. Auflage, München 2012; vgl. allgemein auch Hagen Keller, Gerd Althoff: Die Zeit der späten Karolinger und der Ottonen. Stuttgart 2008; Johannes Fried: Der Weg in die Geschichte. Berlin 1994, speziell S. 9 ff. und 853 ff. Grundlegend ist Carlrichard Brühl: Deutschland – Frankreich. Die Geburt zweier Völker. 2. Auflage, Köln/Wien 1995. Vgl. Joachim Ehlers: Die Entstehung des Deutschen Reiches. 4. Auflage, München 2012, S. 46–48. Jürgen Petersohn: Rom und der Reichstitel „Sacrum Romanum Imperium“. Franz Steiner Verlag, Stuttgart 1994, S. 77–80. Peter Reichel: Schwarz-Rot-Gold. Kleine Geschichte deutscher Nationalsymbole nach 1945. C.H. Beck, München 2005, S. 16 f. Klaus Hildebrand: Das Dritte Reich (= Oldenbourg Grundriss der Geschichte. Band 17). 6., neubearbeitete Auflage, R. Oldenbourg Verlag, München 2003, ISBN 978-3-486-49096-1, S. 7, 446. Andreas Eisen, Uta Stitz: Das Nebeneinander der beiden deutschen Staaten und die deutsche Einigung 1990. In: Thomas Ellwein, Everhard Holtmann (Hrsg.): 50 Jahre Bundesrepublik Deutschland. Rahmenbedingungen – Entwicklungen – Perspektiven. Westdeutscher Verlag, Opladen/Wiesbaden 1999, S. 60; Steffen Alisch: Die DDR von Stalin bis Gorbatschow: der sowjetisierte deutsche Teilstaat 1949 bis 1990. In: Hans-Peter Schwarz (Hg.): Die Bundesrepublik Deutschland. Eine Bilanz nach 60 Jahren. Böhlau, Köln 2008, S. 135 ff. Vgl. 9. Juli 1951. Deutschland-Chronik (Kapitel II: Gründerjahre der beiden deutschen Staaten, Abschn. 7. Bipolare Außenpolitik und Wiederaufrüstung im Kalten Krieg), Bundeszentrale für politische Bildung (bpb), abgerufen am 26. Januar 2019. Ralf Huber-Erler, Hartmut Topp: Ein ungeliebtes Erbe: Stadt und Auto. Bauwelt, 2014, abgerufen am 17. März 2022.
    Weniger lesen
Stay safe
  • Sicherheit Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten hat zu diesem Land eine Reisewarnung veröffentlicht (Weblink)

    „Das Land ist stabil. In den grossen Städten kann es aber zu Demonstrationen kommen. Lassen Sie in der Umgebung von Demonstrationen Vorsicht walten, da Ausschreitungen möglich sind.

    Die deutschen Behörden weisen auf das Risiko von Terroranschlägen hin. “ aktuelle Sicherheitshinweise Datum des letzten Hinweises: 30.08.2018.

    Deutschland gilt als sicheres Reiseland. An Bahnhöfen, auch Flughäfen und anderen Menschenansammlungen wird vor Taschendieben gewarnt.

    Zum Trickbetrug, der sich besonders an Touristen richtet, gehört das sogenannte Hütchenspiel. Hier verschiebt ein Betrüger auf offener Straße eine kleine Kugel unter mehreren Schalen. Der Tourist soll raten, unter welcher Schale sich die Kugel befindet. Der Spieleinsatz ist hoch, meist hundert Euro pro Versuch. Der Tourist hat keine Chance, mit einem geschickten Trick wird die Kugel so verschoben, dass er es nicht sehen kann. Die „Zuschauer“ um den Spieler sind Partner des Betrügers, sie „gewinnen“ auch manchmal, um Touristen anzulocken und zu täuschen. Daher sollte man auch wissen: bei einem Streit mit dem Betrüger hat er mehrere Helfer, die auch vor Gewalt nicht zurückschrecken. Diese Banden sind vor allem in Berlin tätig.

    Ebenfalls besonders in Berlin verkaufen Straßenhändler angebliche Stücke aus der Berliner Mauer oder russische Uniformen. Üblicherweise sind beides Fälschungen.

    Weiterlesen
    Sicherheit Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten hat zu diesem Land eine Reisewarnung veröffentlicht (Weblink)

    „Das Land ist stabil. In den grossen Städten kann es aber zu Demonstrationen kommen. Lassen Sie in der Umgebung von Demonstrationen Vorsicht walten, da Ausschreitungen möglich sind.

    Die deutschen Behörden weisen auf das Risiko von Terroranschlägen hin. “ aktuelle Sicherheitshinweise Datum des letzten Hinweises: 30.08.2018.

    Deutschland gilt als sicheres Reiseland. An Bahnhöfen, auch Flughäfen und anderen Menschenansammlungen wird vor Taschendieben gewarnt.

    Zum Trickbetrug, der sich besonders an Touristen richtet, gehört das sogenannte Hütchenspiel. Hier verschiebt ein Betrüger auf offener Straße eine kleine Kugel unter mehreren Schalen. Der Tourist soll raten, unter welcher Schale sich die Kugel befindet. Der Spieleinsatz ist hoch, meist hundert Euro pro Versuch. Der Tourist hat keine Chance, mit einem geschickten Trick wird die Kugel so verschoben, dass er es nicht sehen kann. Die „Zuschauer“ um den Spieler sind Partner des Betrügers, sie „gewinnen“ auch manchmal, um Touristen anzulocken und zu täuschen. Daher sollte man auch wissen: bei einem Streit mit dem Betrüger hat er mehrere Helfer, die auch vor Gewalt nicht zurückschrecken. Diese Banden sind vor allem in Berlin tätig.

    Ebenfalls besonders in Berlin verkaufen Straßenhändler angebliche Stücke aus der Berliner Mauer oder russische Uniformen. Üblicherweise sind beides Fälschungen.

    Rassistische Angriffe durch Neonazis finden wesentlich seltener statt als von Ausländern gefürchtet, einzelne Fälle gibt es allerdings schon. Obwohl in Deutschland inzwischen Millionen Menschen aus allen Teilen der Welt leben, fallen ausländische Touristen vor allem auf dem Land und wenn sie "anders" aussehen durchaus gelegentlich auf. Normalerweise muss man aber nicht mit mehr als neugierigen Blicken rechnen. Kleinere Ortschaften, sowie Plattenbausiedlungen, im Osten, aber auch teilweise im Westen sowie die Fankurven bestimmter Fußballvereine haben eine besonders schlechte Reputation, allerdings sind gewaltsame Vorfälle auch hier extrem selten. Rassistische Überfälle werden von der Justiz üblicherweise konsequent bestraft.

    Die Toleranz gegenüber offen gezeigter Homosexualität hat sich in den letzten Jahren positiv entwickelt und gerade in den großen Städten ist nicht mit Anfeindungen oder Angriffen zu rechnen. Traurige Ausnahmefälle - unter anderem im Zusammenhang mit Rechtsextremismus und religiösem Fanatismus vor allem männlicher Jugendlicher - sind selten und sollten Touristen nicht allzu sehr besorgen.

    Deutschland ist ein wenig korruptes Land. Korruption gibt es vor allem in der Geschäftswelt und durch Schwarzarbeit. Im Alltag bei Behörden, Polizei und Justiz spielt sie keine Rolle. In Deutschland können Versuche, Beamte zu bestechen, schnell im Gefängnis enden. Die nationale Polizeinummer ist 110, sie kann aber auch über die Euronotrufnummer 112 oder 911 erreicht werden.

    Weniger lesen

Sprachführer

Hallo
Hallo
Welt
Welt
Hallo Welt
Hallo Welt
Vielen Dank
Vielen Dank
Auf Wiedersehen
Auf Wiedersehen
Ja
Ja
Nein
Nein
Wie geht es dir?
Wie geht es dir?
Gut, Danke
Gut, Danke
Wie viel kostet das?
Wie viel kostet das?
Null
Null
Einer
Einer

Wo kann man in der Nähe schlafen? Deutschland ?

Booking.com
489.134 Besuche insgesamt, 9.196 Sehenswürdigkeiten, 404 Ziele, 40 besucht heute.